Der zweite Sonntag nach dem Epiphaniasfest ist der mit Gott verbundenen Lebensfreude gewidmet: „Wo Gottes Herrlichkeit aufscheint, verwandelt sich das Leben in ein Fest.“
Wochenspruch:
„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“
Johannes 1,16
Wochenpsalm:
1 Danket dem Herrn und rufet an seinen Namen; verkündigt sein Tun unter den Völkern!
Psalm 105
2 Singet ihm und spielet ihm, redet von allen seinen Wundern!
3 Rühmet seinen heiligen Namen; es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen!
4 Fraget nach dem Herrn und nach seiner Macht, suchet sein Antlitz allezeit!
5 Gedenket seiner Wunderwerke, die er getan hat, seiner Zeichen und der Urteile seines Mundes,
6 du Geschlecht Abrahams, seines Knechts, ihr Söhne Jakobs, seine Auserwählten!
7 Er ist der Herr, unser Gott, er richtet in aller Welt.
8 Er gedenkt ewiglich an seinen Bund, an das Wort, das er verheißen hat für tausend Geschlechter,
Wochenlieder:
1 Du Morgenstern, du Licht vom Licht, das durch die Finsternisse bricht, du gingst vor aller Zeiten Lauf in unerschaffner Klarheit auf.
2 Du Lebensquell, wir danken dir, auf dich, Lebend’ger, hoffen wir; denn du durchdrangst des Todes Nacht, hast Sieg und Leben uns gebracht.
3 Du ewge Wahrheit, Gottes Bild, der du den Vater uns enthüllt, du kamst herab ins Erdental mit deiner Gotterkenntnis Strahl.
4 Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht, führ uns durch Finsternis zum Licht, bleib auch am Abend dieser Welt als Hilf und Hort uns zugesellt.
EG 74
1 In dir ist Freude in allem Leide, o du süßer Jesu Christ! Durch dich wir haben himmlische Gaben, du der wahre Heiland bist; hilfest von Schanden, rettest von Banden. Wer dir vertrauet, hat wohl gebauet, wird ewig bleiben. Halleluja. Zu deiner Güte steht unser G’müte, an dir wir kleben im Tod und Leben; nichts kann uns scheiden. Halleluja.
2 Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod; du hast’s in Händen, kannst alles wenden, wie nur heißen mag die Not. Drum wir dich ehren, dein Lob vermehren mit hellem Schalle, freuen uns alle zu dieser Stunde. Halleluja. Wir jubilieren und triumphieren, lieben und loben dein Macht dort droben mit Herz und Munde. Halleluja.
EG 398
EG 398
Evangelium Johannes 2,1-12
1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. 12 Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nur wenige Tage dort.
Johannes 2, 1-12
Gelegentlich haben wir Grund zum Feiern – ja, auch in unseren Gemeinderäumen wird manchmal richtig gefeiert. Es gibt auch bei uns die stimmungsfördernden Getränke, aber in Maßen. Gemeindefeste sind weder bei uns noch anderswo dafür bekannt, dass der Alkohol übermäßig fließt. Weil ja eher Askese geboten ist und Zurückhaltung?
Jesus, damals, beginnt seine öffentliche Arbeit mit diesem Weinwunder, so erzählt es Johannes in seinem Evangelium. (Die anderen Evangelisten haben hier die Versuchungsgeschichte oder gleich ein paar ordentlich Heilungswunder wie Markus.) Johannes beginnt sein Evangelium mit diesem höchst zweideutigen Zwischenfall auf einer Bauernhochzeit irgendwo am Ende der Welt. „Alkoholiker aller Länder, vereinigt euch und feiert doch mit!“? Ungefähr 600 Liter besten Weines – welch eine Verschwendung, zumal die Gäste ja schon stark angeheitert sind, in diesem Zustand jetzt eigentlich der Fusel an die Männer gebracht werden könnte. Ausgesprochen dumm, jetzt die besten Jahrgänge anzuzapfen: Perlen unter die, die eh schon auf den Weg zu den Säuen sind. Ein fast sinnloses Wunder: statt die Leute nach Hause zu schicken, der Wein ist alle, ihr habt euer Quantum weg, bis zum nächsten Mal, setzt Jesus verschwenderisch noch einen oben drauf, als wolle er die Hochzeitsgesellschaft in ihrer eigenen Gier ersticken. Kein Wunder, dass er unter frommen Landsleuten als Fresser und Weinsäufer verschrien war, sich durch solche Geschichten wie dieser hier unter all den Askesepropagandisten und Enthaltsamkeitspropheten von vornherein unmöglich gemacht hat. Und ihre unerbittliche Feindschaft geerbt: bringt er sie doch um den Lohn, um die Anerkennung und Bewunderung all ihrer Mühe. Es ist in jedem Fall diese Geschichte als start-up-Ereignis einer Jesuserzählung ein unvermuteter Paukenschlag.
Bei Johannes, dem Evangelisten, müsste man mit allem rechnen: Zum Beispiel damit, dass Jesus gleich noch einen draufsattelt: „Ich bin der Wein, die Partydroge …“ oder so. Aber es bleibt hier beim nackten Zeichen, ohne Deutung irgendwie. Vielleicht so: Es ist der siebte Tag: die Weihung des Sonntags und Ermunterung zum Feiern. Was ist mit dem siebten Krug – sechs ist eine völlig unerotische Zahl: Soll er selbst der siebte Krug sein, gefüllt mit Lebens- und Feierstoff? Anfang Januar hat man das Dionysos-Fest gefeiert, zwei Tage lang, damit mindesten eine Nacht dabei ist – soll Jesus diese Tradition beerben, die Tradition des sich-gehen-lassen-Dürfens, des sich Fallen- und Loslassen? Oder: Ist das schon ein Stück verkappte Abendmahlsgeschichte, die Johannes ja rausschmeißt und deshalb verborgen unterbringen muss? Gibt die unmäßig hohe Menge an Wein das Recht zu verstehen: Davon ist immer noch etwas da, wir trinken auch heute noch aus diesen Krügen?
Es mag an dem allen auch etwas dran sein oder auch nicht. Und es mögen auch Leute das Verhältnis zu Maria deuten, wofür die denn stehe in der Geschichte. Mancher mag die Offenbarungsabsicht herauslesen, Jesus, der nicht an sich halten kann, die Bitte der Mutter zwar abgewiesen hat, aber seine Mutter kennt ihn, er kann nicht anders als mit solchen Geschichten schon immer einmal ein bisschen kucken lassen. Oder doch nur: „Du hast uns gerettet, Jesus“ mag der Bräutigam sagen, „aus der Peinlichkeit unzureichender Versorgung der großspurig eingeladenen Gäste erlöst.“ Aber was heißt hier „gerettet“ und „erlöst“? Eine Banalität, morgen schon unwichtig, wenn der Rausch ausgeschlafen und verdunstetet ist.
Diese Hochzeit zu Kana wird sein Fest. Völlig unwichtig in diesem Bericht, wer denn Braut und wer Bräutigam gewesen sind, uninteressant die Zusammensetzung der Gästeliste. Die Hochzeit ist nur den Anlass für sein Fest. Denn das zieht sich durch alle Evangelien, bei Johannes in dieser Geschichte so programmatisch, dass er kaum darauf zurückkommen muss: Es wird gefeiert. Und es wird nicht zu knapp gefeiert. Wo Gott zum Zuge, tatsächlich zum Zuge kommt, da gibt es keinen Grund, Trübsal zu blasen. Wo Gott zum Zuge kommt, da bricht die Lebensfreude durch und sonst nichts. Wo Gott zum Zuge kommt, da muss gefeiert werden – was sonst? Nicht umsonst gibt es um und mit Jesus so viele Hochzeitsbilder: Wenn der Bräutigam da ist wird getanzt. Da wird gegessen und getrunken – wer käme da auf den Gedanken zu fasten? Keine Kalorientabelle, sondern der voll gedeckte Tisch, die übervollen, riesigen Krüge. Wer käme da auf den Gedanken, eine Zeigefinger-Rede zu halten und zu warnen vor den Spätfolgen und den Gefahren? Einem richtig verliebten Paar kann man viel erzählen von Katzenjammer und Scheidungsstatistiken und dass Männer und Frauen nicht zueinander passen: Wenn die Liebe eingeschlagen hat wie ein Blitz, muss gefeiert werden, komme, was da wolle. Dann kann man ein Gutteil des Vermögens sinnlos verballern – es soll ja Kulturen geben, wo jahrelang nur für diesen einen Tag gespart wird: Ordentlich feiern können, an diesem einen Tag!
Die Jesusgeschichte insgesamt ist eine einzige Einladung zum Feiern und fröhlich zu sein. Es ist ein tragisches Missverständnis des Glaubens, Gotteshingabe vor allem in Lebensverzicht zu sehen. Gott ist – das macht Johannes gleich am Anfang klar – Gott ist kein Spielverderber, der die Lebensfreude in Frage stellt und in jede Freude das schlechte Gewissen sät: Das dürfe man eigentlich nicht … Der dem Überschäumenden die Besonnenheit entgegensetzt, der Unbedachtheit die Ernsthaftigkeit. Gott ist, wenn er denn ankommt, jeder und der beste Grund zu feiern, das Leben zu genießen wie Braut und Bräutigam, zumindest aber wie die eingeladenen Gäste: kein Gedanke über die Kosten der Köstlichkeiten trübt das sich Hineinfallen-Lassen. Gott ist selbst die Einladung, das Leben zu genießen, nicht bedenken- und rücksichtslos sicher, sondern so, dass alle mitfeiern können. Das Wein- und Mitlachwunder am Anfang als Paukenschlag, als programmatische Geschichte spricht in dieser Hinsicht Bände.
Werden wir dem gerecht? Und was müssten wir tun? Alle Ernsthaftigkeit und Besinnung absetzen und zu Festen einladen, Gelage anbieten statt Bibelstunden, Tanz in den Sälen statt Sitzungen? Alle Rücksicht fahren lassen, alles Fragen: Kirche heißt: Sich fallen lassen zu können in einen Rausch von Glück? Nein, ich werde jetzt gegen ein Überziehen nicht doch der Ernsthaftigkeit das Wort reden – es ist da nichts zurückzunehmen. Es ist nur so: Zum Feiern gehört die Freude. Zur Hochzeit zum Beispiel, dass man den beiden ihr Glück gönnt und nicht eifersüchtig sich von eigenen Hoffnungen verabschieden muss. Zu jedem Fest, das wirklich gefeiert wird, gehört ein Anlass, nicht nur die Versorgung mit Essen und Trinken. Das ist es vermutlich, was Kirche manchmal so freudlos macht: Es fehlt die Vergewisserung des Anlasses. Es feiert sich schwer, wenn man nicht weiß warum. Vielleicht kann man die ausgeklügelte Komposition des Johannesevangeliums tatsächlich so verstehen: Achtung, Leute, jetzt kommt die Einladung zum Mitfeiern. Der Wein – sechs oder gar sieben Hektoliter, mein Auto hätte nicht von ferne gereicht zum Transport – der Wein steht bereit – aber wir müssen euch jetzt erst einmal ausführlich erzählen, warum wir feiern wollen, um wen es geht. Wir erzählen euch erst einmal, damit ihr einstimmen könnt in die Festgesänge, damit ihr Freudentänze aufzuführen auch nicht an euch halten könnt. Das Wort zu sagen, zu erzählen, zu malen – Kirche und Gemeinde zu sein – das ist insgesamt alles in allem nur dieses: Einzuladen, einzustimmen auf ein großes Fest. Dieses Fest zu begründen, nahe zu bringen. Dieses Fest in Gang zu bringen, Stimmung zu machen. So wässrig und fade manches noch schmeckt: es wird daraus der beste aller Weine, weil er ja dabei ist, weil es in diesem Fest um ihn geht.
Die Kirche dieses Jesus jedenfalls ist keine trübe Veranstaltung – darf keine trübe Veranstaltung werden, sondern ist, wenn sie denn ihm gerecht wird, ein großes Fest. Ein Fest, weil dazu aller Anlass besteht, weil er Hochzeit feiert und Geburtstag und noch mehr: weil er mit uns das Leben feiern will, weil er der Grund ist, der Leben zum Leben macht, und der ungetrübte Freude an diesem Leben ermöglicht mit aller ihm innewohnender Schönheit, mit allem Glanz. Also: Den Anlass wahrnehmen! Den Anlass zum Zuge bringen! Das Fest ergibt sich dann von selbst.
In diesem Sinne will die „Hochzeit zu Kana“ neugierig machen auf die ganze Geschichte, die da zu erzählen ist: von diesem Jesus und wie es sich mit Gott verhält. Pfarrer Hartmut Scheel