Liebe Gemeinde,
Wie lange sollen wir noch warten
Sportfreunde Stiller
Bis wieder bess’re Zeiten starten?
Wie viel Zeit soll noch vergeh’n
Bis wir uns wieder seh’n?
Wir feiern heute gemeinsam Gottesdienst zum Thema Sehnsucht (dieses unbestimmte Gefühl). Ein Thema das in der aktuellen Situation eine große Relevanz hat. Pläne für Reisen werden gestrichen. Veranstaltungen werden abgesagt und Gottesdienste infrage gestellt. Unsere Gedanken schweifen dann oft in die Zeit vor Corona und sehnen sich zurück nach dieser Normalität, die für uns noch vor einem halben Jahr selbstverständlich war. Doch diese Normalität ist aufgrund von strengen Kontaktverboten zurzeit aufgehoben und viele sind in einer Situation, welche neu, ungewohnt und unangenehm ist. Natürlich ist es wichtig sich klar zu machen das diese Regeln von enormer Relevanz sind, um somit Menschen zu schützen, die sonst keine Chance gegen das Virus hätten.
Nichtsdestotrotz führt dieser Verzicht bei vielen zu starker Sehnsucht. So gehört für viele der Mittelmeerurlaub zu einem gelungen Sommer dazu. Dieser muss jedoch durch Corona entfallen. Sicher wäre es noch zu verkraften ein Jahr auf diesen zu verzichten. Es hätte ja auch gute Seiten, wie gespartes Geld und einen geringeren CO2-Fußabdruck. Jedoch fängt es beim Urlaub erst an. So sind nun auch Restaurantbesuche mit der Familie nicht mehr ohne weiteres möglich, selbst Frisöre schlossen zwischenzeitlich, was für viele ein haarsträubendes Erlebnis war. Am stärksten trifft mich – und viele andere vermutlich auch – die Einschränkung von Sozialen-Kontakten. Das simple Treffen mit Freunden im Park, oder zuhause um gemeinsam zu spielen, zu reden und Spaß zu haben entfällt durch die strengen Regulierungen. Die Sehnsucht nach Sozialen-Kontakt steigt, selbst bei denen die davor niemals gedacht hätten, dass sie das Draußen-sein mit anderen so sehr vermissen würden.
“Wie lange sollen wir noch warten?”, diese Frage stellt Peter Brugger von Sportfreunde Stiller im Lied und viele von uns fragen sich das sicher auch. Bereits 2001 ist der Song entstanden. Also schon lang bevor wir überhaupt an so etwas wie einen Lockdown hier bei uns geglaubt haben. Und trotzdem ist dieser Text aktueller denn je. Wir fragen uns, wann hat der Wahnsinn sein Ende? Gibt es bald einen Impfstoff? Es sind immer wieder die gleichen Fragen die an Virologen, Politiker und die Pharmazie gestellt werden, wie ein ungeduldiges Kind welches auf der Rückbank im Auto sehnsüchtig auf Zuhause wartet und seine Eltern ständig fragt: “Wann sind wir endlich da?”. Doch Antworten gibt es noch keine klaren. Groß ist die Versuchung, Verschwörungstheorien zu glauben, der Sehnsucht nachzugeben und jegliche Regelungen zu missachten mit diesen Gedanken als Ausrede. Immerhin geben Verschwörungstheoretiker leichte Antworten auf alle Fragen. Doch dies ist nicht die Lösung. Gerade in aktuellen Zeiten sollte Logik an erster Stelle stehen, auch wenn die Geschichten der Verschwörungstheoretiker angenehmer sind als die harte Wahrheit einer globalen Pandemie.
Doch die aktuelle Lage hat auch ihre guten Seiten. Plötzlich weiß ich, ganz genau was ich nicht mehr will… heißt es im Lied. Eine Zeit des Innehaltens macht also oft bewusst was (uns) wirklich wichtig ist. So lehrt sie uns, auch die kleinen Dinge im Leben zu schätzen und bietet uns Möglichkeiten zu helfen und unsere Menschlichkeit zu zeigen. Ich für meinen Teil, lerne meinen Garten in dieser Zeit noch stärker als Rückzugs- und Erholungsort zu genießen. Andere wiederum lernen ihre Nachbarn wieder besser kennen. Viele jüngere Nachbarn kaufen erstmalig für die Älteren in ihrer Hausgemeinschaft ein. So entstehen bessere Gemeinschaften. Auch fällt uns nun auf, wie wichtig doch viele Berufe sind, die wir vorher nicht beachtet haben. So waren vor Corona Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen nur selten beachtet, nun werden sie als Helden gefeiert. Hoffentlich bleibt uns die Wertschätzung von Pflegepersonal, Supermarkt-Angestellten und weiteren systemrelevanten Berufen für die Zeit nach Corona erhalten.
Bei der Bewältigung unserer Sehnsüchte hilft es uns daran zu denken, dass wir damit nicht alleine sind. Auf der ganzen Welt gibt es Menschen, die sich danach sehnen zur Normalität zurückzukehren. Am härtesten trifft es die Ärmsten, wie die Obdachlosen auf dem Alexanderplatz, die nicht einfach zu Hause bleiben können. Trotz Corona sollten wir sie nicht vergessen und uns auch weiterhin um sie kümmern. Wir wissen auch, dass wir uns mit unseren Sehnsüchten an Gott richten können. Die offene Kirche hat es möglich gemacht, dass auch während des Gottesdienst-Verbotes jeder für sich in der Kirche Andacht halten konnte. Zudem gab es in den Kirchen unserer fünf Gemeinden Gebetsstationen mit der Möglichkeit für Dankesgebete und persönliche Sprüchen. Auch entdecken viele Gemeinden Neuland, das sogenannten Internet, um so die Sehnsucht nach der Begegnung mit Gott zu erfüllen. Auch wir als Junge Gemeinde nutzen die Möglichkeiten des Internets und sind zu Online-Treffen gewechselt. So können wir uns sehen und miteinander reden und spielen, ohne uns selbst und andere zu gefährden.
Sehnsüchtig nach vorne blickend nach Himmelfahrt erkennt man auch hier Paralellen. Auch im Bibeltext von Himmelfahrt aus dem Lukas Evangelium ist das Thema Sehnsucht ein zentrales Motiv.
“Jesus sprach zu ihnen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein. Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.”
Mit der Himmelfahrt von Jesus ist nichts mehr wie es vorher war. Jesus als der zentrale Punkt des Lebens der Jünger ist verschwunden. Die Jünger trauern um Jesus und sehnen sich nach der Zeit von früher. Jesus verlässt die Jünger jedoch mit der Ankündigung auf den Heiligen Geist und damit auf Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Sehnsucht der Jünger ist damit nicht nur mit negativen Gefühlen verbunden, sondern auch mit der Hoffnung, dass Gott sie auch in der Zukunft nicht alleine lassen wird. Auch wir können uns daran orientieren. Sehnsüchte sollten nicht verdrängt werden, sondern wir sollten sie in der Hoffnung auf ihre Erfüllung in uns bewahren. Wir wissen das Gott uns dabei begleiten und unterstützen wird unsere Sehnsüchte in der Zukunft zu erfüllen. Somit lautet die Botschaft: Mut zur Sehnsucht und Hoffnung auf bessere Zeiten.
Amen