Im Süden von Bogotá leben drei Viertel aller Familien in Armut. Die Zahl der Schulabbrecher ist hoch, viele Jugendliche wachsen ohne Perspektive auf. Die Fundación Creciendo Unidos (FCU) hilft denen, die am staatlichen Schulsystem gescheitert sind.
Als David Ballén zehn Jahre alt war, wussten die Lehrerinnen der staatlichen Schule „Gran Colombia“ nicht mehr, was sie noch mit ihm machen sollten. David ärgerte unaufhörlich seine Mitschüler, störte den Unterricht und weigerte sich beharrlich, lesen und schreiben zu lernen. „Er war ein fürchterlicher Junge“, erinnert sich die Lehrerin Elizabeth Vergara. „Als wir uns mit David einfach nicht mehr zu helfen wussten, schlugen wir seiner Mutter vor, mit ihm zur Fundación Creciendo Unidos zu gehen“, erinnert sie sich. Schon vorher hatte sie Schüler dorthin geschickt, die einfach nicht lernen wollten.
Die Fundación Creciendo Unidos („Stiftung Gemeinsam Wachsen”) gibt es seit 1986. Ursprünglich wurde sie gegründet, um arbeitenden Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Heute unterhält die Stiftung neben Einrichtungen für Nachhilfeunterricht, Musik, Tanz und Fotografie auch eine Schule für Kinder, die von den staatlichen Schulen ausgeschlossen wurden. „Sei es, weil sie in ihrer schulischen Entwicklung zurückgeblieben sind oder sei es wegen auffälligen Verhaltens“, erklärt Salomón González, Koordinator von FCU. Viele der Schüler kommen aus zerrütteten Familien, alle aus einem armen Elternhaus. Auch David. Zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern stellt der Junge zu Hause Lumpen zum Reinigen von industriellen Maschinen her.
David kam in die mittlere der drei Lernstufen der Schule. Sie ist speziell dafür da, Kinder mit Lese- und Schreibschwäche zu fördern und sie dabei langsam an naturwissenschaftliche Fächer heranzuführen. Nach nur einem Jahr findet er sich in der Welt der Buchstaben und Worte gut zurecht. Aber nicht nur das: Auch sein soziales Verhalten hat sich positiv verändert. „Als David zu uns kam, war er ein verhaltensgestörtes Kind, das Zeichen von Misshandlung aufwies“, erinnert sich seine Lehrerin Lia Lemus. Weil sie viele solcher Kinder hätten, könne sich die Schule nicht allein aufs Lernen konzentrieren, sagt Reinel García, der Direktor von FCU. Genauso wichtig sei die psychosoziale Betreuung der Kinder und ihrer Familien. „Wenn wir nicht auch auf die seelischen Bedürfnisse der Kinder eingehen, wird keines von ihnen schulische Fortschritte machen“, ist er überzeugt.
Um von zu Hause in die Schule „Gran Colombia“ zu kommen, musste David nur im Zickzack den Hang herunterlaufen. Um zu seiner neuen Schule im Stadtviertel Villa Javier zu gelangen, benötigt er 45 Minuten. Doch das macht ihm nichts aus: „Es gefällt mir hier viel besser als in der anderen Schule“, sagt der Elfjährige. „Die Lehrer sind viel netter, und sie schreien uns nicht an.“ David ist noch immer ein unruhiges Kind. Aber er hat Wege gefunden, seine überschüssige Energie los zu werden: Er nimmt an einer Tanzgruppe teil, und er arbeitet im Schulgarten. Außerdem bekommt er, wenn er es nötig hat, Nachhilfeunterricht. Und FCU löst eines seiner größten Probleme: Er erhält jeden Tag ein warmes Mittagessen.
Text: Cecibel Romero, Foto: Thomas Lohnes
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