Einzelne aus unserer Gemeinde fragten: Können wir denn selbst bestimmen, wann wir den Gottesdienst zum Erntedankfest in unserer Gemeinde feiern? –
Dazu ein Blick in die Geschichte:
Das Erntedankfest mit einem Gottesdienst zu begehen, gehört im strengen Sinn nicht zum Zyklus des Kirchenjahres. Denn der bezieht sich auf Ereignisse der Heilsgeschichte mit Jesus Christus.
Im Laufe des Mittelalters etablierten sich in der Westkirche zum Ende der Erntezeit Gottesdienste, in denen die geernteten Früchte gesegnet wurden. Ebenso entwickelten sich Bußgottesdienste in Jahren, in denen die Ernte sehr mager ausgefallen ist.
Man kann sehen: In dem Maße, wie immer mehr Menschen Christen wurden, zog auch unter ihnen die Sitte ein, ein Erntedankfest zu feiern. So wie es das in anderen Religionen in der Antike gab. (Da die orthodoxe Kirche jeden Gottesdienst als Dank an Gott feiert – das steckt in dem Namen des Gottesdienstes Eucharistie -, kennt sie kein besonderes Erntedankfest; nur die Segnung der ersten Früchte – in Europa im August.)
Wann das Erntedankfest gefeiert wird, richtet sich in der weltweiten Christenheit danach, wann in der jeweiligen Klimazone Erntezeit ist. Darum gibt es dafür keinen festen Termin für die ganze Kirche.
In den reformatorischen Kirchen wurde in Predigten zur Erntezeit der Grund zu danken thematisiert; in den Gebeten wurde Gott für die Ernte gedankt. Daraus entstand mit der Zeit das Erntedankfest. Das wurde auf unterschiedliche Termine gelegt: Manche legten es auf den Michaelistag (29. September), manche auf den Bartholomäustag (24. August), oder auf den Sonntag nach Ägidii (1. September) oder auf das Martinsfest (11. November).
1773 ließ König Friedrich II. den Erntedanktag in Preußen als offizielles Fest einführen. Dazu legte er einen Termin fest: 1. Sonntag nach Michaelis.
Viele Kirchengemeinden feiern den Erntedanktag auch früher oder später – je nach den örtlichen Erntegegebenheiten: Nach der Kornernte, Ende August, oder erst nach der Weinlese, im November.
Reinhard Kähler