„Hilf mit, die zivile Seenotrettung abzuschaffen!“

So wirbt die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch um Spenden und Unterstützung. Ist das nicht merkwürdig? Wie soll man das verstehen – hat doch die Kirche zusammen mit Sea-Watch und anderen Organisationen Anfang diesen Jahres ein Schiff gekauft und inzwischen für die Seenotrettung tauglich machen lassen…?

Schauen wir zurück. Die Empörung über die unerträglichen Zustände auf dem Mittelmeer infolge einer nicht akzeptablen Flüchtlingspolitik der EU führte im vorigen Jahr auf dem Kirchentag in Dortmund zu einer Resolution, die die EKD und ihre Gliedkirchen aufforderte, selbst ein Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmeer zu schicken. Dieses Anliegen fiel auf fruchtbaren Boden und so kam es zur Gründung des Bündnisses „United4Rescue“ (gemeinsam für Rettung), dem inzwischen mehr als 500 Institutionen und Gruppen angehören. Sein Ziel ist die Unterstützung ziviler Seenotrettungsorganisationen – aus der Überzeugung heraus, dass man Menschen nicht ertrinken lassen darf. Der nächste Schritt war der Kauf des früheren Forschungsschiffs „Poseidon“, das nun nach Überholung und Umbau seit Mitte August als „Sea-Watch 4“ im Mittelmeer unterwegs ist. Innerhalb der ersten 48 Stunden hat die Besatzung über 200 Menschen aus Seenot gerettet. Wenige Tage später berichteten Medien von der Manövrierunfähigkeit eines anderen Rettungsschiffes, dessen Passagiere von der Sea-Watch 4 übernommen werden konnten.

Der Einsatzleiter auf der Sea-Watch 4, Philipp Hahn, sieht die Notwendigkeit ziviler Seenotrettung bestätigt. „Unser Einsatz ist und bleibt ein Symbol für das Scheitern der Europäischen Union, die ihrer Pflicht nicht nachkommt und Menschen vor ihren Toren ertrinken lässt.“ (Die Welt vom 29.08.2020). Der Theologe Thies Gundlach, Vizepräsident im EKD-Kirchenamt in Hannover, bezeichnet die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot als eine Aufgabe der Kirche, als „Teil unseres diakonischen Auftrages“.

Aber: „Wir sind eine Notlösung. Als Christ kann man nicht billigend in Kauf nehmen, dass Menschen ertrinken“. (ND vom 04./05.07.2020). Auch der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Heinrich Bedford-Strohm bekennt sich klar zur Zuständigkeit der Kirche: „Gottesliebe und Menschenliebe können nicht voneinander getrennt werden. Die Kirche muss gesellschaftliche Zeichen setzen, zur Stelle sein, wenn Menschen in Not sind. Wenn es politische Ursachen sind, die die Not bedingen, muss die Kirche auch an diesen rütteln.“ Und: „Europa soll sehen, dass die Politik des Wegsehens nicht mehr tatenlos hingenommen wird.“ (Die Welt vom 29.08.2020).

So ist also zivile Seenotrettung dringend notwendig – solange der Wert von Menschen ungleich bemessen wird und es politischem Kalkül unterliegt, welches Leben gerettet wird und welches nicht. Europa ist gern im Namen der Menschenrechte unterwegs und muss sich an seinen eigenen Maßstäben messen lassen. Es liegt an uns allen, dieser unerträglichen Politik ein Ende zu setzen. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben werden, ist es auch an der Zeit, die zivile Seenotrettung abzuschaffen.

Christiane Bergelt

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