Am Karfreitag gedenken wir der Hinrichtung Jesu am Kreuz – und damit auch an unsere eigenen Verstrickungen in all das, was Jesus ans Kreuz gebracht hat. Deutlich wird am Karfreitag aber auch, was sich in die Geschehen dort auf Golgatha vollzieht: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber“ (2.Korinther 5,19) – es geht um nicht weniger als das: um die ganze Welt.
Spruch:
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Johannes 3,16
Psalm 22
2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. 3 Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. 4 Aber du bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels. 5 Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. 6 Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden. 7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk. 8 Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: 9 Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.« 16 Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, / und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub. 19 Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand. 20 Aber du, HERR, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!
Lieder
1 O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßet seist du mir!
2 Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut das große Weltgewichte: wie bist du so bespeit, wie bist du so erbleichet! Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht‘?
3 Die Farbe deiner Wangen, der roten Lippen Pracht ist hin und ganz vergangen; des blassen Todes Macht hat alles hingenommen, hat alles hingerafft, und daher bist du kommen von deines Leibes Kraft.
4 Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.
5 Erkenne mich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an. Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan; dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost, dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust.
6 Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.
7 Es dient zu meinen Freuden und tut mir herzlich wohl, wenn ich in deinem Leiden, mein Heil, mich finden soll. Ach möcht ich, o mein Leben, an deinem Kreuze hier mein Leben von mir geben, wie wohl geschähe mir!
8 Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todes Schmerzen, da du’s so gut gemeint. Ach gib, dass ich mich halte zu dir und deiner Treu und, wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei.
9 Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.
10 Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.
EG 85
1 In einer fernen Zeit gehst du nach Golgatha, erduldest Einsamkeit, sagst selbst zum Sterben ja.
2 Du weißt, was Leiden ist. Du weißt, was Schmerzen sind, der du mein Bruder bist, ein Mensch und Gottes Kind.
3 Verlassen ganz und gar von Menschen und von Gott, bringst du dein Leben dar und stirbst den Kreuzestod.
4 Stirbst draußen vor dem Tor, stirbst mitten in der Welt. Im Leiden lebst du vor, was wirklich trägt und zählt.
5 Erstehe neu in mir. Erstehe jeden Tag. Erhalte mich bei dir, was immer kommen mag. Amen, Amen, Amen.
EG.E 4
Evangelium Johannes 19,16-30
16 Pilatus überantwortete ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, 17 und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. 19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. 20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. 21 Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. 22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. 23 Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. 24 Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten. 25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. 26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. 28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. 29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. 30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.
Predigttext: Jesaja 52,13-53,12
52,13 Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. 14 Wie sich viele über ihn entsetzten – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch und seine Gestalt nicht wie die der Menschenkinder –, 15 so wird er viele Völker in Staunen versetzen, dass auch Könige ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn was ihnen nie erzählt wurde, das werden sie nun sehen, und was sie nie gehört haben, nun erfahren. 531 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und an wem ist der Arm des HERRN offenbart? 2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. 4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. 7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. 8 Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wen aber kümmert sein Geschick? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat seines Volks geplagt war. 9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. 10 Aber der HERR wollte ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und lange leben, und des HERRN Plan wird durch ihn gelingen. 11 Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. 12 Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben dafür, dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.
Die aller ersten Christen, auch die Vertrauten Jesu, seine Jüngerinnen und Jünger, standen fassungslos vor diesem desaströsen Ende: das Kreuz, die schändliche Hinrichtung eines Sklaven, rechtlosen, der Tod eines, der mehr Gegenstand, mehr Material ist als Mensch, zur Abschreckung gequält, damit das System stabil bleibt: Wo kämen wir hin, wenn jeder sich eigen Würde herausnimmt? Was sollte werden ohne das Buckeln all derer, die dafür vorgesehen sind?
Und Jesus, ihr Held, ihre Hoffnung, mir nichts dir nichts darunter gemengt, abgetan als Störenfried, ein lästiger Schreihals, ein bisschen nachgeholfen, ein bisschen schief, aber der Zweck … . Das Erschrecken der Jünger, all derer, die an seinen Lippen hingen: Wie kann das sein? Sie können es machen! Wo uns die Welt neu aufging – sie schlagen zu wie bei einer lästigen Fliege: Aus und vorbei. Nichts mehr.
So mancher wird nachdenklich: Was hätten sie denn tun sollen? Herausgefordert, zu Reaktion gezwungen, wie sie waren. Das ganze mühsame Gleichgewichtsgeschaukel zwischen Besatzungsmacht und dem ihr entsprechenden Kniefall einerseits und dem zähen Versuch, dieses Volk beieinander zu halten, der inneren und dann auch äußeren Auflösung zu wehren, die Hoffnung am Leben zu halten, irgendwann einmal, und die Gegenwart retten, Halt geben, Kontinuität, die so bedroht ist, der römischen Gleichmacherei etwas entgegen zu setzen. Was hätten sie denn tun sollen mit diesem naiven galiläischen Phantasten, der keine Ahnung hat von Politik und 4 den miteinander ringenden Kräften? Die Lösung war fast elegant. Sicher: Das muss sich dann erst noch verlaufen, man kann gelassen zusehen, wie die Schockwellen verebben: So ist die Welt halt, das Leben ist kein Zuckerschlecken und Zukunft ein zerbrechliches Porzellan – nein: ein Bulldozer. Die Zeit wird die Wunden schließen, nicht einmal eine Narbe hinterlassen, Gras wächst drüber und die Stätte wird sie bald nicht mehr kennen, wo die bunte Blume der Hoffnung ein paar Blütenblätter in die Luft streckte.
Andere werden anders nachdenklich: Soll es wirklich so sein, so bleiben? Es geht alles seinen geordneten Gang und wer unter die Räder kommt, hat halt Pech gehabt. Wer zu schwach oder zu stark ist, wer übermütig wird oder aufhören will, wird von der Maschinerie zerquetscht, die es noch nicht einmal wirklich merkt. Soll es wirklich dabei bleiben, dass es eben immer weiter geht und anderweitige Hoffnungen doch nur ihre Kinder fressen? Da war Aufbruch, ein Ausscheren aus der Reihe, da war aufrechter Gang. Da war auf einmal so etwas wie eigene Würde, wo die Würde des Menschen keinen Pfifferling wert schien – ein grandioser Irrtum? Es passt nicht in die Welt, es ist kontraproduktiv, Illusionen hervorzurufen – soll das alles gewesen sein?
Sie sind verstört, die an seinen Lippen hingen, ratlos – und voller Fragen, Zweifel: Wo ist hier Sinn und Verstehen? Was anders deutet dieses als: Nur wieder zurück in die Reihe, Kopf wieder einziehen, von dem man doch gerade gemerkt hatte, dass man ihn überhaupt hat? Und Jesus, der Meister? Ein katastrophaler Irrweg, eine Luftblase, die einfach geplatzt ist. Ein laues Lüftchen, das täuschte.
Sie lesen – ein altes, trauriges Lied aus bitteren Zeiten: in Gefangenschaft. Das wird so etwas wie der Grundtext der ersten Wochen, die Verstehenshilfe: Ohne dieses Lied wären sie nicht hinweggekommen über die Verzweiflung. In diesem traurigen Lied finden wir uns wieder – und ihn. Ein Gottesknechtslied aus der babylonischen Gefangenschaft, das letzte, in dem nicht mehr er selbst redet.
Es scheint in dem Lied, als sei Glück nicht zu ertragen: Der alte Gottesknecht kam ihnen mit Hoffnung und Aufbruchsstimmung – man wollte sich aber im Kummer vergraben, es lebt sich dann doch ganz schön im Unrecht, im eigentlich Illegitimen, das die Wirklichkeit im Griff hält: Durchkommen, sich einrichten im Falschen, sich ducken unter der Macht der Verhältnisse, großzügig klein beigeben, das entlastet auch von aller Verantwortung: es gibt sehr wohl ein richtiges Leben im Falschen, es mag so auch viel einfacher sein: ohne Verantwortung. Es ist jedenfalls so, dass der Bote des Aufbruchs nicht durchdringt, dass er auf eine Mauer der Ablehnung stößt, nicht ernst genommen wird, verlacht ob seiner Penetranz, verachtet ob seiner Illusionen, irgendwann dann auch gehasst als Störenfried auch er, billig entsorgt offenbar am Ende: Er störte die Kreise, passte nicht in eine Kultur der Kompromisse und es ist doch komfortabel, diese Kultur zu genießen, die Verantwortungslosigkeit ein bisschen zu beklagen, leise, aber bequem. Der Aufbruch wäre anstrengen, die Zukunft ungewiss und in jedem Fall artet das in Arbeit aus: Nein, weg mit ihm.
Wer weiß wann: Irgendwann wird das Gewissen schlecht, die Geschichte hat sie dann doch auf den Weg geschwemmt, die Lebenslüge der Heimatsehnsucht forderte dann doch ihr Recht: doch Aufbruch, womöglich ein bisschen widerwillig, aber „na schön“, die Hoffnungen sind nicht groß. Und irgendwann auch die Erinnerungen: Ach ja, da war doch mal einer, dieser Gottesknecht. Hat doch Recht behalten, der arme Irre – aber was nützt die Wahrheit zur falschen Zeit? Ein müdes Lächeln auf den zynischen Gesichtern. Nun halte doch einmal inne, gestehen wir uns ein: er hatte Recht damals, nicht wir. Wir hätten hören sollen auf ihn, haben keinen Grund, uns jetzt zu erheben über ihn. Ein Spiegel: So waren – so sind wir! Er hat uns ertragen, mehr noch, hat uns nicht losgelassen, ist uns nachgelaufen, als wir ihn stehen lassen wollten. Hat auf Hoffnung bestanden und Rückgrat gefordert, Klarheit statt Gemauschel, in die Augen zu blicken und ins Gesicht sagen statt hinterrücks. Er ist unser Zeichen des aufrechten Ganges in Zeiten der Bücklinge. Er ist unser Licht im Gedämmer der Bäuche. Er ist unsere Würde unter den Vorzeichen der Achtlosigkeit.
Und irgendwie – es ist eine mutige Interpretation, wer weiß woher – aber im Umkreis Gottes wird es möglich, so zu denken: Irgendwie kommt das „für uns“ in die Erinnerung: Nicht umsonst, vergeblich, gescheitert, sondern: Für uns! Noch ist das Wie nicht greifbar, nicht erklärbar, klar aber ist: In dieses Scheitern kommt dieses „Für uns“ hinein, und es ist kein Scheitern mehr, sondern ein Sieg. Es ist dieses Aushalten, nicht Ablassen, sondern Durchstehen, es ist diese Zuwendung gegen alle Abwehr und Zurückweisung – es ist dieses nicht abzuschreckende Nachgehen geadelt. Da hat einer nicht baldigst die Schultern gezuckt: Dann eben nicht, wenn ihr nicht wollt! sondern ausgeharrt, sich nicht ernüchtern lassen, zu uns gehalten, da hat einer einfach nicht losgelassen.
Warum? – Wir ahnen es, ja.
Die an Jesu Lippen gehangen hatten, vorher, singen dieses alte Lied und wissen, wer gemeint war. Und wissen nun auch, sicher mit dem Rückenwind des Ausgangs dieser Geschichte, denn nach drei Tagen ist ihnen alles wieder ganz anders, wissen nun warum: Für uns! Nicht nur die bösen anderen, auch wir: unter uns allen hat er gelitten, unter uns, den Seinen vielleicht besonders, auch wir haben ihn im Stich gelassen haben uns eingefügt in den Gang der Dinge, das Unabänderliche für unabänderlich gehalten – haben den Hoffnungen nicht geglaubt und ihn aufgegeben. Schon das alte Lied war doch kein trauriges: Eingefügt in eine Gottesrede: Er wird Nachkommen haben, Könige werden den Mund halten vor ihm, er wird den Vielen Gerechtigkeit schaffen. Ja, er hat uns Gerechtigkeit geschaffen! Gott hat es mit seinem Menschen, mit Jesus, nicht dabei belassen: Ein Grab bei den Gottlosen, verscharrt, ausgetilgt, aus dem Lande der Lebendigen weggerissen. Die Vielen sind seine Beute, die Starken sein Raub. Die Gottesrede gegen das Bild des Geknechteten und Wehrlosen, gegen das achtlos preisgegebene Opfer: Gott gibt ihn nicht auf! Gott hat ihn nicht aufgegeben, im Gegenteil: Er hat sich gemein gemacht mit ihm, mit seinem Schicksal. Gott hat sich sein Aushalten, sein Dranbleiben zueigen gemacht: „Ich, Gott selbst, bleibe dran an euch, lasse euch nicht los, gebe euch nicht auf! Ich halte zu euch auf Biegen und Brechen, auf die Gefahr des Scheiterns! Ich lasse euch nicht los.“ Es ist am Ende mehr als ein bloßes Ja, wo die Geschichte, das Geschick scheinbar übermächtig Nein gesagt hat. Es ist am Ende mit diesem alten Lied Gott selbst, der sich hineinbegibt in dieses desaströse Ende: Das dort, das bin ich selbst. Ich bin der „Ich halte durch, ich lasse euch nicht los, ich bin auf eurer Seite, selbst wenn ihr es nicht seht, selbst gegen eure eigene Abwehr.“ Das ist der Anfang Gottes in seinem Ende.
Durch ihn den Vielen Gerechtigkeit schaffen!
Pfarrer Hartmut Scheel