Rufen und Berufen
Einführung:
Angler begrüßen sich traditionell mit: „Petri Heil!“. „Petri Dank!“. Die Bedeutung dieses Grußes ergibt sich aus der nachstehenden Erzählung. Einen so reichen Fischzug, wie Petrus ihn hatte, wünsche ich Dir auch!
Nachdem im Konklave (der Wahlversammlung der Kardinäle) ein neuer Papst gewählt wurde, erhält er bei seiner Amtseinführung unter anderem den Fischerring. Auf dieser Insignie wird der Name des Papstes vermerkt, darunter findet sich eine Darstellung des die Netze einholenden Petrus. Denn der Bischof von Rom soll wie Petrus Menschen fischen.
So besteht der für heute ausgewählte Text der Bibelwoche eigentlich aus zwei Geschichten: aus dem Fischzug des Petrus und aus seiner Berufung. Der Evangelist Lukas, den man getrost als den „Stilisten des Neuen Testaments“ bezeichnen kann, hat beide Geschichten meisterhaft zu einer Erzählung verbunden.
Der Text: Lukas 5,1-11
1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu Jesus drängte, zu hören das Wort Gottes, da stand er am See Genezareth.
2 Und er sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.
6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.
7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
8 Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten,
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
Zum Text:
Die Erzählung beginnt mit einer Szene, die momentan nicht realistisch ist: Viele Menschen kommen zusammen, um etwas von Jesus zu hören. Wie oft höre ich in den letzten Wochen, dass der Kontakt untereinander am meisten fehlt. „Einfach mal wieder in großer Runde beisammen sein“, das wäre schön. Wie oft höre ich, dass die ungewohnte Leere der Kirchengebäude in der Weihnachtszeit nachwirkt.
Doch beim Evangelisten Lukas dient das Zusammenkommen der Menschen dazu, das Zusammenkommen von Jesus und Simon Petrus vorzubereiten. Der Fischer, der seiner stinkenden Arbeit des Netze-Reinigens nachkommt, bietet Jesus die Möglichkeit, zu vielen zu sprechen. Auf dem Boot ist Jesus nicht nur gut zu sehen, Wasser trägt auch den Schall gut.
Nach dem Ende der Rede Jesu, deren Inhalt nicht berichtet wird, sind die Beiden allein auf dem Boot. Spätestens jetzt ist der Focus der Erzählung scharf. Es geht um Jesus und Simon Petrus. Die vielen Menschen und die anderen Jünger gehören dazu und bleiben doch am Rand.
Jesus bittet Simon Petrus, noch einmal hinauszufahren und die Netze auszuwerfen. Und die Antwort des Simon Petrus ist die Antwort eines Profis. „Wenn wir schon nachts nichts gefangen haben, dann wird es am Tage auch nichts“ – so könnte man wiedergeben. Jesus spricht Simon also ganz bei seinen beruflichen Kompetenzen an. Er nimmt ihn ernst als einen, der ein Boot zu steuern vermag. Er bittet ihn, etwas Alltägliches zu tun, die Netze auszuwerfen. Aber er stellt es in einen anderen Zusammenhang.
Bis heute liegt darin eine Kunst. In die Lebenswelt der Menschen hinein zu sprechen und eine andere, weiterführende Sicht der Dinge zu eröffnen.
Doch zurück zur Erzählung: Wenn Simon Petrus den Jesus als „Meister“ anspricht, dann drückt das nicht nur Respekt aus. Im Lukasevangelium sind sich Jesus und Simon Petrus schon einmal begegnet. Jesus war im Hause Simons zu Gast (Lukas 4,38ff.) und heilte die Schwiegermutter des Simon Petrus. Dieser weiß also, dass es mit jenem etwas Besonderes auf sich hat. Und so kommt er der Bitte, die Netze noch einmal auszuwerfen, nach. Der im Folgenden geschilderte, überreiche Fischzug bringt Simon Petrus zu der Erkenntnis, wen er da in seinem Boot befördert hat. Und er fällt auf die Knie, ruft: „Herr, geh weg“, und bekennt sich als „sündigen Menschen“ (wörtlich: sündiger Mann).
Eine solche Reaktion mag heutigem Selbstbewusstsein fremd sein. Aber zu jener Zeit bedeutet sie so viel wie die Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit. Einen solch reichen Fang hätte der Fischer Petrus nie zustande gebracht.
Und doch ist es gerade dieser unvollkommene Mensch, den Jesus nach dem Lukasevangelium als ersten beruft. Und ihm zweierlei mitgibt: Fürchte Dich nicht! Und: Du sollst Menschen fischen!
Impulsfragen:
- Im Alltag, bei den eigenen Kompetenzen angesprochen werden. Wie müsste das bei Ihnen aussehen?
- In Gemeinschaft – und doch lieber einzeln?
- Christsein ohne Auftrag?
Zum Nachdenken
aufträge an Christen:
gut vernetzt ausgebootet
im Trüben fischen – Grund finden
Knoten lösen
mitgefangen – mitgehangen
ins Netz gehen – befangen
bauernfängerei
fishing for compliments …
oder doch lieber …
einfach segeln lassen?
Mit herzlichen Grüßen
Pfarrer Andreas Döhle