Ökumenische Bibelwoche zum Lukasevangelium 7 – Lukas 24,13-35

Kommen und Gehen

Das Evangelium:

Das Lukasevangelium ist uns bekannt durch die Weihnachtsgeschichte. Was dieses Evangelium aber auch auszeichnet, sind die vielen wunderbaren Gleichnisse, die uns gleichsam vertraut sind (so wie das Gleichnis vom reichen Kornbauern oder vom barmherzigen Samariter) und die Hervorhebung Jesus als Heiland und Erlöser. Seine Gleichnisse erzählt Jesus in seinen zahlreichen Begegnungen, die er auf seinem Weg hat. Und genau diese Begegnungen stehen im Zentrum der diesjährigen ökumenischen Bibelwoche: was passiert in den Begegnungen? Wer stößt wen an und wodurch? Wodurch kommt seelisch wie körperlich Bewegung ins Spiel? Diesen Fragen möchten wir in einem indirekten Gespräch mittels des Textes mit Ihnen gemeinsam nachgehen.

Der Text: Lukas 24: Auf dem Weg nach Emmaus

13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa sechzig Stadien entfernt; dessen Name ist Emmaus. 14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. 15 Und es geschah, als sie so redeten und einander fragten, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. 16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. 17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. 18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? 19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und allem Volk; 20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. 21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist. 22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, 23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. 24 Und einige von denen, die mit uns waren, gingen hin zum Grab und fanden’s so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. 25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! 26 Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war. 28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. 29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. 30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. 31 Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. 32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? 33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; 34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen. 35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, da er das Brot brach.

Zum Text:

Im Lukasevangelium werden gleich drei Erscheinungen des Auferstandenen berichtet. Die vor den Emmausjüngern ist dabei die zweite, wird also von den anderen Erscheinungen gerahmt. An allen drei Stellen wird auf die vorherige Ankündigung der Auferstehung verwiesen und – direkt oder indirekt – nach dem Glauben gefragt.

Die Begegnung mit dem Auferstandenen geht hier von Jesus aus. Er ist es, der sich zu den Jüngern gesellt und sie auf ihrem Weg begleitet. Dennoch reagieren die Jünger – die wohl zum erweiterten Jüngerkreis gehören – zunächst nicht auf ihn: nicht nur, dass sie ihn nicht erkennen, sie fangen auch kein Gespräch mit ihm an.

So geht das Gespräch zwischen den drein von Jesus aus, der sie nach dem fragt, worüber sie reden. Die Jünger bekommen dadurch Gelegenheit zu erzählen, was sie bewegt.

Und das tun sie sehr offen. Sie erzählen von ihren Hoffnungen und Wünschen und von ihrer Enttäuschung ob des Todes Jesu. Sogar die Unsicherheit über die erste Erscheinung des Auferstandenen berichten sie dem Fremden.

Jesus, der für die Jünger noch fremd Scheinende, reagiert daraufhin mit einem Vorwurf. Er kritisiert ihren geringen Glauben und das fehlende Erkennen über den Sinn all der Ereignisse, den er den Jüngern doch zu seinen Lebzeiten mehrmals ausgelegt hatte. Hat Jesus zuvor noch wie ein Fremder mit ihnen gesprochen, so ändert sich dieser Modus schlagartig und er spricht mit den Jüngern wie mit Vertrauten, die sich lange und gut kennen.

Und dann tut Jesus das, was er mit seinen Jüngern immer getan hat: Er legt ihnen die Schrift aus. In den Jüngern scheint sich nun auf diese persönliche Ansprache und auf die Schriftauslegung hin etwas zu regen, denn sie wollen nicht, dass die Begegnung endet, sondern werden aktiv und „nötigen ihn“ bei ihnen zu bleiben. Sie laden ihn also mit Bestimmtheit ein.

Bei dieser Einladung geschieht dann das nächste Ungewöhnliche: Jesus, der Eingeladene, ergreift die Initiative. Er bricht das Brot und spricht den Segen darüber, was in jüdischen Familien nur dem Hausvater zusteht. Der Evangelist Lukas verwendet hier bewusst die Formulierungen des Speisewunders und v.a. des letzten Abendmahls (wie wir es ja auch aus der Abendmahlsliturgie kennen).

Und genau da wird den Jüngern die Augen geöffnet und sie erkennen Jesus. Mehr noch: Ihr Herz ist getroffen – imgrunde schon die gesamte Begegnung hindurch, wie sie sich jetzt eingestehen. Das Herz ist nach antiker Vorstellung nicht allein Sitz der Gefühle, sondern auch der Wünsche, der Entschlüsse und des Willens. So nimmt es nicht Wunder, dass dieses ihr brennendes Herz die Jünger in Bewegung setzt und sie sich sogleich auf den Weg machen, ungeachtet der späten Stunde. Jesus hingegen verschwindet vor ihren Augen, denn Sinn und Zweck seiner Erscheinung – ihn zu erkennen – sind erfüllt.

In Jerusalem, wo die Jünger sicher erst in der Dunkelheit ankommen, gehen sie zu den elf Aposteln, bei denen ebenfalls die Erkenntnis der Auferstehung Jesu eingesetzt hat. Sie begrüßen sie einander mit jenem Ostergruß, mit dem sich Christen auch heute noch zu Ostern begrüßen. Die Jünger sind also auf dem gleichen Stand und teilen jetzt ihre Begegnungen und die darin entstandenen (Herzens-)Bewegungen miteinander. Gerade weil die beiden Emmausjünger nicht zum nächsten Kreis der Jünger Jesu gehören, weist diese Geschichte die Möglichkeit auf, dass jede(r) Gläubige dem Auferstandenen persönlich begegnen und sein Herz von ihm berührt werden kann.

Impulsfragen:

  • Was würden Sie tun, wenn jemand, den Sie lange kennen, Sie nicht erkennt, wie würden Sie sich in Erinnerung rufen?
  • Haben Sie sich schon einmal einem Fremden anvertraut? Wenn ja, was bewirkte, dass Sie dies taten?
  • Was meinen Sie, als wen oder was genau haben die Jünger Jesus erkannt?
  • Wodurch wird Ihr Herz des Glaubens geöffnet, welche Glaubenserfahrungen haben Ihnen Erkenntnis gebracht?
  • Was bedeutet das Abendmahl für Sie, was macht es mit Ihrem Herzen?
  • Können Sie sich eine Situation vorstellen, aus der heraus sie eine Glaubenserfahrung unbedingt teilen wollen? Wie könnte diese aussehen?
  • Wie teilen Sie im Alltag Ihren Glauben? Was hilft dabei?

Gebet:

Himmlischer Vater,

unsere Erwartungen sind oft hoch, auch im Blick auf Dich. Und manchmal stellen wir uns so genau vor, wie Dein Handeln aussehen soll, dass wir nicht erkennen, wo Du tatsächlich schon unter uns wirkst. Hilf uns, Ohren und Augen für Dich offen zu halten. Hilf uns, Dir mehr zu vertrauen und Deine Wunder in unserer Welt zu erkennen. Hilf uns, Dich mitten unter uns zu erkennen und aus dem Glauben heraus aktiv zu werden. Denn Dein Himmelreich ist mitten unter uns – durch Deinen Sohn Jesus Christus, der für uns Mensch geworden ist, für uns gelitten hat und für uns gestorben ist. Berühre uns immer wieder neu mit dieser heilvollen Botschaft, die uns sagt, dass Du uns auch im Leid nahe bist und einen Weg für uns weißt. Hab Dank dafür, ewiger Gott und Vater, hab Dank Jesus Christus, unser Heiland und Bruder, hab Dank, Heiliger Geist, unser Tröster und Bewahrer. Dir sei Ehre in Ewigkeit.

Amen.

Es grüßt Sie

Ihre Pfarrerin Franziska Roeber