Das Wort Gottes
4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu Jesus eilten, redete er in einem Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen.
Ein Morgen inmitten von Corona: Es war früh am Tag. Die Straßen waren noch dunkel und in der Küche brannte nur die kleine Lampe. Unter der saß sie jetzt bei einer Tasse Kaffee. Von ferne waren ein paar Autos zu hören, sonst war es still. Still auf den Straßen und still hier in der Wohnung. Wie anders war es noch vor einem Jahr. Da hörte man draußen auf den Straßen das geschäftige Treiben in den morgendlichen Stunden, und auch ihr Morgen war stets gefüllt gewesen mit Aufgaben und Dingen, die es zu erledigen und bedenken galt. Immer hatte sie unter Druck gestanden, alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Schließlich mussten die Regale im Laden unten gefüllt und fertig sortiert sein, ehe die ersten Kunden kamen.
Jetzt schien das lange her. Wie ein anderes Leben. Jetzt war der Laden geschlossen. Seit Monaten schon. Das Lager stapelte sich und die Rechnungen auch. Ihre erste Hoffnung war, dass das nur eine Phase sei; dass die Pandemie schnell überwunden und die Ersparnisse ausreichen würden, um die Zeit bis dahin zu stemmen. Doch diese Hoffnung erstarb sehr bald.
Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf.
Der Sommer kam. Die Infektionszahlen gingen runter, das normale Leben fand wieder statt – draußen auf den Straßen und hier bei ihr im Laden. Es war schön die Kunden wiederzusehen, den direkten Kontakt zu haben. Endlich wieder. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen, das wurde ihr damals deutlicher bewusst. Aber die Verluste, die sie im Geschäft gemacht hatte, und das Minus auf ihrem Konto blieben.
6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
Dann kam der zweite Lockdown. Und der wollte kein Ende nehmen. Wieder und wieder wurde er verlängert. Der Laden blieb zu, die Kunden blieben weg. Nur wenige bestellten im Internet. Und sie saß Morgen für Morgen wie jetzt an ihrem Küchentisch und überlegte und grübelte und dachte nach. Die Sorgen wurden immer größer: Was, wenn die Hilfen nicht bald ankamen? Was, wenn sie den Laden schließen musste? Was wurde dann aus ihr?
7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s.
Sie sah durchs Küchenfenster hinaus in die Ferne. Die Sonne ging langsam auf, zeichnete einen hellen Streifen und wunderschöne Farben am Firmament. Die Frau stand auf und goss sich noch eine Tasse Kaffee ein, bevor sie sich wieder setzte und den Blick genoss. Schön war es, wie das Licht der Sonne nach und nach alles erhellte. Der Frau fiel eine Spendenaktion ein, die sie vor Jahren veranstaltet hatte. Die Aktion war damals mit einem Fest verbunden. Das ging jetzt natürlich nicht, aber wenn man kreativ war, könnte eine ähnliche Aktion trotzdem etwas einbringen. Und kreativ war sie, das hatte sie schon in so manchen Notlagen an sich beobachtet. Außerdem fiel ihr ein, dass sie immer wieder mal mit dem Gedanken gespielt hatte, ihren Laden zu modifizieren. Nur ein Stück weit. Vielleicht war jetzt die Gelegenheit. Und dann dachtesie an die treuen Freunde, die sie noch immer hatte, und die sie sicherlich, ganz gleich, was sie vorhatte und wie ungewiss der Ausgang war, unterstützen würden. „Es ist noch nicht alles verloren“, dachte die Frau, „noch habe ich Kräfte und Ideen, etwas zu tun.“
8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
In der Wohnung nebenan: Auch hier saß jemand am Küchentisch bei einer Tasse Kaffee und überlegte. Es war der Nachbar der Frau. Er kannte sie und kannte ihren Laden. Gerne ging er dorthin. So praktische Sachen gab es dort, die er gut gebrauchen oder gut verschenken konnte. Doch nun war der Laden zu und der Nachbar machte sich Sorgen. Es täte ihm sehr leid, wenn seine Nachbarin, die so sehr in ihrer Arbeit aufging, den Laden aufgeben müsste. Deshalb hatte er in der letzten Zeit viel herumtelefoniert. Hatte mit Kunden gesprochen, die den Laden ebenfalls schätzten, hatte Leute angesprochen, von denen er wusste, dass sie Mittel hatten, um zu helfen. Heute sollte nochmal eine Videokonferenz sein. Jemand hatte eine Idee und der Nachbar war sicher, dass sie seiner Nachbarin helfen könnten. Wenn viele zusammen anpackten, war so viel zu erreichen.
9 Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. 10 Er aber sprach: Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.
11 Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. 13 Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. 15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.
Liebe Gemeinde,
Geduld – ein Schlüsselwort in diesen Tagen und ein Schlüsselwort im heutigen Predigttext. Samen gehen nicht schnell auf. Man kann sie nicht drängen und ihr Wachstum nicht beschleunigen. Sie wachsen nach der Zeit, die sie brauchen. Und sie wachsen im Dunkeln, unter der Erde, wo es niemand sieht. Aber sie wachsen. Und sie bringen Frucht. Ein Same mitunter so viel, dass er allein knapp hundertfach einträgt. „Frucht bringen in Geduld“ – das können wir aus eigenen Kräften, weil Gott uns in den Notlagen zur Seite steht und wir als Sein Ebenbild so viele Gaben in uns haben, die uns helfen können. „Frucht bringen in Geduld“ – das können wir auch für andere. Not zu lindern, Tränen zu trocknen, Einsamkeit zu mildern, das sind Gaben, die jeder von uns vermag.
Gott schenke uns ein feines, gutes Herz, in dem Sein Wort der Hoffnung und Heilung gedeiht und Früchte trägt. Möge Gott Sie alle schützen und bewahren, das wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Franziska Roeber