Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.
Sacharja 9,9b
Dies ist der Gemeindegruß, der Sie auf Weihnachten einstimmen soll, ohne dass irgendjemand von uns weiß, wie das in diesem merkwürdigen Jahr gehen soll. Wir hoffen alle darauf, dass bald wieder Normalität einkehrt, und möglichst viel davon schon zum Advent und erst recht zum Fest.
Den Blick auf das Licht am Ende des Tunnels richten – davon lebt die Adventszeit ja sowieso. Das ist uns ein wenig verloren gegangen, das Schummerlicht der Weihnachtsmärkte und auch auf den Adventskränzen mit eigenem Gewicht lenkt von diesem zielgerichteten Blick auch ein bisschen ab. Obwohl Vorfreude nicht verkehrt ist.
Es geht aber um dieses alles Verändernde, dieses Grundstürzende und Aufrichtende, das der Tunnelblick aufleuchten lässt. Mit dem, was uns Weihnachten zeigt, fängt alles neu an.

Irgendwann habe ich in einer Quizshow eine 100.000 € Frage – also gaaanz schwer – miterlebt: Wann fängt das Kirchenjahr an? Zur Auswahl standen Totensonntag, Erster Advent, Weihnachten und Ostern. Dabei weiß das jeder mittelmäßige Konfirmand: Es geht um dieses Licht, und wenn es in den Blick kommt, gehen wir los. Sogar unsere säkularen Kalender richten sich nach Weihnachten, haben also denselben Angelpunkt. Dass der Februar als ursprünglich letzter Monat bis heute der Schaltmonat bleibt, ist ein Rudiment aus dem alten römischen Kalender, der im März losging. Und die lateinischen Zahlen später im Jahr führen jetzt in die Irre.
Wir Republikaner machen unsere Hoffnung auf bessere Zeiten sicher nicht mehr wie in biblischen Zeiten an einem König fest. Aber integere Verantwortliche, denen wir für dieses Verantworten auch ein gerüttelt Maß an Macht zugestehen müssen, wären schon schön. Wir dürfen uns nichts vormachen: Unsere Politiker sind vielen Kräften ausgesetzt, die an ihnen zerren, die zuflüstern und drohen, die Einfluss nehmen und Rücksicht einfordern. Es ist nicht leicht, dort Kurs zu halten, gerecht und hilfreich zu entscheiden. Es ist auch für uns Wähler nicht einfach, zwischen Versprechungen und Drohungen, was alles passieren könnte, wenn die falsche Frau oder gar der ungeeignete Mann die Macht in die Hände bekäme, das richtige Kreuz zu machen.
Was der alte Prophet Sacharja verspricht, ist solch ein schwer vorstellbarer, unbestechlicher und zugewandter Mächtiger, der deshalb auch nicht demonstrativ mit einer seinen Status anzeigenden Karosse vorfährt – damals vielleicht ein feuriges Pferd – sondern mit dem Drahtesel zu uns kommt. Der Esel begegnet dem Propheten im nächsten Atemzug: Er wird einer von uns sein, nicht abgehoben und besonders, sondern an unserer Seite.
Der Esel beim alten Sacharja – übrigens ein anderer als im Stall von Bethlehem – macht den Bruch schon deutlich: Der heiß Ersehnte und Erhoffte kommt ganz anders, als er ersehnt und erhofft worden ist: Nicht mit Macht und Gewalt, die alles überschwemmen und mitreißen, sondern eher sanft und vorsichtig, als wäre unsere Welt zerbrechlich. Sie ist zerbrechlich, das erleben wir gerade wie lange nicht mehr. Nicht mit Pauken und Trompeten reitet er ein, sondern nur mit einem kaum wahrnehmbaren Engelsgesang. Aber eben doch strahlend hell, alles in ein nie dagewesenes Licht tauchend.

Schon die Ankunft macht klar, was der Kern der Botschaft sein wird: Es geht um euch, es geht um euer Menschsein, um eure Würde! Und wenn um diese Würde und all ihre Ersatzdrogen nicht mehr gerungen werden muss, weil er für sie einsteht, dann ist nsere Welt eine andere.
Ihnen allen wünsche ich dieses Licht am Ende unserer Tunnel: eine gesegnet Adventszeit und frohe Weihnachten – und dass Sie diese Fröhlichkeit mitnehmen können in ein gutes, richtig gutes neues Jahr!
Ihr Hartmut Scheel