Sommer

Wir sitzen mit Abstand und bedeckten Nasen. Nur unsere Augen sind für die anderen sichtbar und verraten etwas von der großen Freude darüber, dass nun endlich nach Monaten der sozialen Enthaltsamkeit und dem Verzicht auf lebendige Veranstaltungen der Sommer mit seinen ersten Konzerten eingekehrt ist.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud‘
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben.
Schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

Wir summen. Singen ist noch immer nicht erlaubt. Aber wie wunderbar ist es, zu den zarten Klängen der Gitarre und der Geige die eigene Stimme im Chor vieler anderer eine so vertraute Melodie aufgehen zu lassen. Um mich herum fange ich gelöste Blicke ein. Der Moment rührt mich an, und ich bin nicht allein. Die gesummte Melodie trägt alle Strophen des Paul-Gerhardt-Liedes zugleich in sich. Sie erzählt von der sommerlichen Lebensfreude, vom Glück über die Natur, die Bienen und Blumen, die Wälder und Weinstöcke, die verschiedenen Vögel und die rauschenden Bäche. Und sie erzählt so viel auch über uns selbst. Diese Melodie trägt nicht nur Ausgelassenheit und Überschwang, sondern auch die Schatten des zurückliegenden Winters, unsere Tränen, unsere Ängste.

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139, 14)

Auch dieser Vers ist Teil eines alten Liedes. Es ist ein Lied, das das Staunen über Gottes vielfältige Schöpfung mit allen ihren Seiten aufgreift.

Möge der Sommer trotz aller Beschränkungen, trotz aller Sorgen um die Zukunft klingen! Stimmen Sie Lieder an, alte und neue, lassen Sie Melodien durch Ihre Gedanken schwingen! Vielleicht sind auch diese Verse mit dabei.

Eine gesegnete Zeit wünscht Ihnen allen

Ihre Julika Wilcke