Durch die Hintertür hat der Herbst Einzug in unsere Stadt gehalten. Unmerklich wird es jeden Morgen ein wenig dunkler, tagsüber ein wenig stiller, abends gehen früher die Straßenlaternen an. Die Menschen haben sich an die vielen veränderten Bedingungen weitestgehend gewöhnt: Abstand halten, kein Händeschütteln, Rücksicht, Hygienemaßnahmen. Manches davon wirkt steriler und unpersönlicher, aber viele bemühen sich um alternative Formen, um die schwerwiegenden Verordnungen lebbar zu machen. Und der Alltag geht weiter – trotz Corona und mit Corona. Bald feiern wir Erntedank, die nächsten Schulferien stehen schon vor der Tür, dann gleiten wir bereits in die Novemberzeit mit ihren vielen Zeichen von Abschied und Neubeginn.
Auch in unseren beiden Kirchengemeinden läuft die Uhr weiter. Ich werde mich bald verabschieden – zumindest für eine Weile, denn ich erwarte ein Kind und werde mit den Herbstferien in den Mutterschutz gehen. Die Pfarrstelle in Baumschulenweg ist längst ausgeschrieben – wir warten ab, wer dort als nächstes kommt und wann. In Johannisthal haben die Planungen für das kommende Jahr begonnen. Dann darf die Gemeinde ihr 100jähriges Bestehen feiern.
Aber jetzt soll es ruhiger werden, denn der Herbst hat ja durch die Hintertür Einzug gehalten und fordert zu einem langsameren Tempo auf. Es ist die Zeit, in der man Luft holen, Abstand nehmen und hinhören darf auf das, was um uns herum geschieht. Woran haben wir Anteil? Was können, was würden wir gerne tun für die Menschen um uns und für diese Stadt?
Suchet der Stadt Bestes!
Mitten in Zeiten einer tiefen Krise wendet sich der Prophet Jeremia tröstend an die Seinen. Er spricht Worte, die ihm Gott in den Mund gegeben hat. Dabei richtet er sich nicht an diejenigen, die in der Heimat zurückgeblieben sind. Sondern er schreibt an die in der Fremde. Sie sind fortgeführt worden, leben im Exil in einer ihnen gänzlich unvertrauten Stadt, in der sie nichts zu sagen und nicht viel auszurichten haben.

Jeremia weiß, dass sich daran so schnell nichts ändern wird. Aber mitten hinein in diese triste Situation eröffnet der Prophet den Menschen neue Perspektiven. Er zeigt, dass für sie selbst in dieser Lage noch Handlungsspielraum besteht. Zwar werden sie sobald nicht das Exil verlassen, aber sie können sich darin einrichten: Häuser bauen, Gärten anpflanzen, Früchte daraus essen, Kinder kriegen, all ihre Fähigkeiten in und für diese Stadt einbringen. Es ist ein lauter Ruf gegen die Resignation:
Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl.
(Jeremia 29,7)

Jeremia singt ein Hoffnungslied: Die Zeit in dieser Stadt ist nicht vergebens. Sie soll gestaltet werden, betend und handelnd, mit guten Ideen und einem freundlichen Miteinander. Denn Gott ist und bleibt bei allen, die jetzt noch betrübt und verloren scheinen – trotz allem. Er hat freundliche Absichten für sie:
Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
(Jeremia 29,11)
Jeremias Hoffnungslied eröffnet neue Ausblicke. Solch ein Blickwechsel kann äußerst erfrischend und ermutigend wirken, denn er schenkt neue Kraft für‘s Handeln im Hier und Jetzt. Auch wir sind eingeladen, das Leben in der Krise aktiv mitzugestalten. Und hoffnungsfroh machen wir uns auf in Richtung Advent!

Bleiben Sie behütet!
Ihre Julika Wilcke