Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN;
Psalm 84,2-3
mein Leib und Seele freut sich in dem lebendigen Gott.
Über dem Portal der Sophienkirche in Mitte – übrigens auch ursprünglich als ein einfacher Betsaal gebaut, ohne Turm und baulichen Schmuck – lädt die erste Zeile dieses Psalms ein. Gelegentlich haben sich Touristen bei uns danach erkundigt, wer denn der Herr Zebaoth gewesen ist, der erste Sponsor vielleicht?
Das in Kapitälchen geschriebene Herr ist ein Platzhalter für den heiligen Namen Gottes „Jahwe“. Und „Zebaoth“ ist ein die alles verändernde Macht Gottes unterstreichender Zusatz, zu übersetzen etwa mit „der Heerscharen“. Der Anspruch ist hoch: Unsere Kirchen stehen in der Tradition des Jerusalemer Tempels. Dieser Psalm ist der Bibelvers für das Kirchweihfest. Alle unsere Nachforschungen lassen vermuten, dass es auch die Überschrift für die Einweihung der Johannisthaler Kirche am 3. Juli 1921 – vor 100 Jahren jetzt – gewesen ist. Im Original des Psalms geht es natürlich um den Jerusalemer Tempel, die Vorhöfe waren der Bereich für die Normalsterblichen, in dem sie Anteil bekamen am Heiligen: ein Sehnsuchtsort, an dem die Welt in Ordnung ist und unbestreitbare Zugehörigkeit erlebbar wird. Hier wird die Seele aufgebaut und Lebensfreude vermittelt.
Das ist vielleicht überraschend, dass es in der Kirche um Freude geht. Die Vermutung ist ja eher, dass bei uns das schlechte Gewissen kultiviert wird. In der Weimarer Republik, als die Kirchen auf Distanz zum Staat gingen, mussten dann auch eigene Fahnen erfunden werden. Katholisch wurde es gelb, die Evangelischen entschieden sich für Violett: die Farbe der Buße. Vielleicht als ein Akt der Bescheidenheit gemeint, aber die landläufigen Verdächtigungen werden so bestätigt. Schon damals ist der Vorschlag eines fröhlichen Blaus dagegengesetzt worden. Die optische Nähe zu Finnland, wo die glücklichsten Menschen leben sollen, wäre ja nicht schädlich gewesen, zu Schottland auch nicht.
Natürlich ist so ein Jubiläum, wie wir es im August in Johannisthal feiern werden, ein erfreulicher Anlass. Wenn es gut geht, dann wollen wir aus diesem Fest diese Freude mitnehmen in die nächsten 100 Jahre.
Wir sind „evangelische“ Kirche, die den Anlass zu großer Freude in ihrem Namen trägt: Es ist eine „gute Botschaft“, die uns einlädt und die uns ausmacht. Die Geste wäre nicht der erhobene Zeigefinger, sondern der Fingerzeig auf die erfreuende Mitte, die Leib und Seele, das heißt, den ganzen Menschen und den Menschen ganz betrifft und mitreißt. Wo es um Gott geht, geht es um Lebensfreude, um Aufbau für Leib und Seele, um Kraft und Ermutigung, ganz bestimmt nicht um Demütigung. Damit sich das herumspricht und vielleicht ein paar alte Verdächtigungen richtiggestellt werden, feiern wir unser Jubiläum. Und: Damit wir nicht vergessen, dass wir als Gemeinde der Freude für Johannisthal und für Baumschulenweg verpflichtet sind.
Ganz herzliche Einladung
und Grüße,
Ihr Pfarrer Hartmut Scheel