Viele aus unserer Gemeinde und Viele, die zu Besuch in unsere Gemeinde kamen, haben mich in den letzten Monaten darauf angesprochen, wie schön der Kirchsaal geworden ist, hell und freundlich. Nur mit dem Hören der gesprochenen Worte – das kam unterschiedlich an. „Ich habe alles gut verstanden“ „Ich habe nur sehr schlecht verstanden“. Unterm Strich: Sprechakustik unbefriedigend.
Was kann man machen?
Wenn der Saal voll besetzt ist, ist gut zu hören. Spricht man in einem kleinen Kreis miteinander, geht es gut. Schwierig, wenn laut im mäßig besetztem Saal gesprochen wird; da trifft der Schall auf viele harte Flächen; dann bricht der Schall für viele Positionen im Saal weg.
Was erwarte ich?
Als Musiksaal ist der Kirchsaal gut geeignet. Aber in protestantischen Gottesdiensten wird gesprochen. Der Saal ist nicht als Kirchsaal gebaut worden. Kann er dauerhaft für Gottesdienste genutzt werden? Ist er dafür geeignet?
Dann müssen auch die gesprochenen Worte ankommen. Denn Gottes Wort wird auch über das gesprochene Wort vermittelt. Das ist eine Herausforderung für die Sprechenden, für die Hörenden und für den Raum.
Die Sprechenden
Die Sprechenden sollen deutlich sprechen. Sie sollen lebendig sprechen. Der Unterschied zum gelesenen Wort ist: es wird lebendig, wirksam gesprochen, gerade nicht monoton; das Leben in Gottes Wort soll nicht platt gemacht werden, indem unnatürlich langsam und gleichförmig gesprochen wird; es tönt durch den Körper durch. Die Stimme stimmt zu unterschiedlichen Lebensäußerungen. Ohne Gefühle in der Stimme wäre es weniger als das Rauschen des Windes, falsches Pathos. „Das Wort ward Fleisch“: es erklingt durch den Körper, durch den der Atem unterschiedlich strömt, mit Gesten und Mimen; erst dann ist Musik drin. Das macht den Geist des mündlich vorgetragenen Wortes aus.
Die Hörenden
Zuhören ist ungewohnt. Länger zuhören erst recht. Zuzuhören ohne Bilder zu sehen, ist für fernsehgewohnte Menschen etwas ganz Ungeübtes. Das ist auch schwierig für Menschen, die Informationen eher schriftlich aufnehmen. Ja, zuzuhören verlangt Übung. Wie gelingt es, sich beim Zuhören zu konzentrieren? Das Ohr wählt immer aus. Es behält wenig, sucht sich, was es weiter aufnimmt. Selbst die, die – jedenfalls für einen Moment – ganz Ohr sind, hören Unterschiedliches. Wer nicht gut hören kann, verliert die Lust.
Der Raum
Ein Konferenzsaal oder ein Kinosaal ist akustisch ganz trocken gebaut. Da kommt aller Schall durch die Lautsprecher.
Ganz anders sind Kirchen gebaut: Sie ahmen himmlische Hallen nach. Sie wollten, dass der Schall (den Säulen entlang) nach oben wandert. Sie wollten Töne zu Gottes Ehre, nicht zur Verständigung der Menschen. Die Predigten seit der Zeit der Aufklärung wollten Menschen belehren: sie bauten Kanzeln mit Schalldeckeln.
Jemand, der davon etwas versteht, hat mir gesagt: „Wenn jemand in die Kirche geht, weiß er: da ist ein großer Hall drin und es ist kalt darin. Das ist anders, wenn du einen Saal hast: da erwarten die Leute eine andere Sprechverständlichkeit und dass es warm ist.“ Wer geht heute noch gern in eine Kirche, um etwas Gesprochenes zu verstehen? – Die Aufnahmegewohnheiten haben sich zum Sehen hin verlagert; aber selbst die Hörgewohnheiten haben sich verändert: die Hörqualität, die wir mit Radio oder Fernseher ins Wohnzimmer bekommen, die bekommen wir niemals, wenn wir einen Gottesdienst live in einer Kirche erleben. Und alle, die ein Hörgerät brauchen, haben es noch schwerer.
Kirchsaal in Johannisthal
Es gab viele Beratungen, was im Kirchsaal für die Sprechakustik verbessert werden könnte. Um die besonderen Möglichkeiten dieses Raums auszuloten, hat die Gemeindeleitung ein Fachgutachten erstellen lassen. Ergebnis: Durch den Einbau einer Akustikdecke kann etwas für die Sprechakustik verbessert werden. Das würde auch nicht die Akustik für die Musik wesentlich verschlechtern.
Soll also eine Akustikdecke eingebaut werden? Werden die GottesdienstteilnehmerInnen dann zufriedener sein mit dem Hören? – Kosten und Nutzen wurden abgewogen; dabei wurden viele Gesichtspunkte bedacht.
Nun soll es so sein. Während dieser Bauphase von 6 Wochen kann der Kirchsaal nicht genutzt werden.
Die Gottesdienste unserer Gemeinde werden wir vom 23. Juni bis 28. Juli gemeinsam mit der Baumschulenweger Gemeinde in Baumschulenweg feiern und ab 4. August dann wieder in Johannisthal
Reinhard Kähler