Angedacht

„Gott spricht: „Siehe, ich will Neues schaffen.
Jetzt wächst es auf, erkennt ihr es denn nicht?“
Jesaja 43,19

Dieses Bibelwort aus dem Alten Testament formuliert eine wunderbare Zusage Gottes an die Menschen. Es sind kraftvolle und lebendige Worte, die uns hier überliefert sind, gesprochen von einem großen Propheten Gottes, vor über 2500 Jahren – und ursprünglich gerichtet an das Volk Israel. Sie sollten wissen, dass ihr Gott Neues schaffen will; ja, mehr noch, dass dieses Neue bereits „im Werden“ ist und aufwächst.

Als die Israeliten diese Worte seinerzeit hörten, müssen sie doch ihren Ohren kaum getraut haben. Denn was sie gerade erlebten, war alles andere als eine gedeihende und auf Zukunft ausgerichtete Zeit. Sie befanden sich weit weg von ihrer Heimat; lebten im Exil. Ca. 70 Jahre zuvor hatten die Babylonier ihr Land und ihre heilige Stadt Jerusalem zerstört. Die Israeliten selbst, vor allem die Ober- und Mittelschicht, hatte der feindliche König Nebukadnezar nach Babylon deportiert. Seitdem lebten sie entwurzelt in Babylon – und auch ohne Hoffnung, je wieder nach Hause zu können. Und jetzt spricht der Prophet nun im Namen Gottes solche Worte:

„Gott spricht:
Siehe ich will Neues schaffen!
Jetzt wächst es auf.
Erkennt ihr es denn nicht?“

Mancher Zuhörer wird sehr skeptisch gewesen sein, andere haben es sicher für Ironie gehalten. Die Freude jedenfalls, die eine solche Prophetie in den Herzen der Menschen auslösen sollte, ließ bei den Meisten erst einmal auf sich warten.

Sie wurde aber bald darauf umso lebendiger. Denn, so berichten die Geschichtsschreiber, die Babylonier verloren ihre Vorherrschaft in der Region. Die Perser waren nun die Mächtigen. Und der König der Perser war bereit, die Israeliten wieder heimkehren zu lassen. Es war geradezu ein Wunder. Manche Israeliten waren noch jung, sie waren erst im Exil zur Welt gekommen, daher kannten sie die alte Heimat nicht. Aber die Alten, die konnten es kaum fassen, denn sie hatten den Jüngeren all die Jahre von der Schönheit Jerusalems und dem herrlichen Land Israel erzählt. Und nun konnten sie heim. Viele Israeliten kehrten zurück. Sie krempelten die Ärmel hoch und bauten Jerusalem und ihr Land wieder auf. Sie setzten ihre ganze Kraft dafür ein, damit das verheißene „Neue Gottes“ immer mehr Gestalt annimmt. Und Gott selbst half ihnen dabei, vor allem durch viele liebende und stärkende Worte durch seine Propheten. Gott wollte Neues schaffen, damals, vor 2500 Jahren in Israel.

Aber Gott will auch heute Neues schaffen, denn er ändert sich nicht. Er lst derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Und sein Wort vergeht nicht, es ist heute genauso präsent und wirksam wie zur Zeit der Propheten. Auch heute noch gelten seine Zusagen an seine Geschöpfe, auch an uns. Denn noch heute liebt er die Menschen bedingungslos, ohne Ausnahme.

Und auch heute noch steht Gott zu seinem Maßstab: Freiheit statt Gefangenschaft, Aufbau statt Zerstörung, Leben-Schaffendes statt Leben-Vernichtendes – überall auf der Welt.

Doch schauen wir heute, am Anfang dieses Jahres 2022, auf die Realitäten, fällt auch nicht wenigen von uns sicher die Freude über diese Zusage Gottes

„Siehe, ich will Neues schaffen.“

schwer, wenn auch aus anderen Gründen als bei den Israeliten seinerzeit. Zahlreiche Krisenherde, Klimawandel, Covid, Inflation, das sind nur einige Beispiele. Und vor allem die Bedrohung der Existenz so vieler Menschen auf der Welt, die ihr Leben für ein besseres Morgen aufs Spiel setzen. Unzählige Kinder, die versuchen, sich allein durchzuschlagen, oder aber als Soldaten oder Gespielinnen missbraucht werden.
Es ist erdrückend. Und wir sitzen in Sicherheit und können für die Dramen der Welt eigentlich nur beten und / oder spenden.

Doch Gott spricht in diese, aus menschlicher Sicht unlösbaren Situationen, genauso hinein:

„Siehe, ich will Neues schaffen.
Jetzt wächst es auf,
erkennt ihr es denn nicht?“

An diesen Worten möchte ich trotz allem festhalten, darauf vertrauen, dass Gott zu seinem Wort steht, und dass er immer wieder Neues schafft, was wir oft nur nicht erkennen. Nehmen wir aber den Fall der Mauer. Ich hätte das nie für möglich gehalten. Doch es geschah. Durch das Handeln unzähliger Menschen, die die Ärmel hochgekrempelt haben, im wörtlichen und auch im übertragenen Sinn. Und mit der Hilfe Gottes Neues Wirklichkeit werden ließen, neue Wege der Freiheit.

„Siehe, ich will Neues schaffen.“ – Das sagt Gott auch uns als Gemeinden zu. Denn gerade wir Gläubigen sind doch gerufen, dieses „Neue Gottes“, das er schon in uns – und um uns herum – angelegt hat, mit unseren Händen und Füßen weiter aufzubauen – und ihm mehr Gestalt zu geben. Doch was ist dieses „Neue Gottes“ denn konkret für unsere beiden Gemeinden? Das weiß nur Gott selbst. Aber ich bin überzeugt, dass er es uns erkennen lässt, wenn wir ihn gemeinsam darum bitten. Ich bin schon deshalb sehr gespannt auf dieses Jahr 2022 mit Ihnen allen! Gott segne Sie!

Ihre Pfarrerin Ute Pfeiffer