Archiv der Kategorie: Andacht

Angedacht

„Es soll nicht durch HEER oder Kraft, sondern durch meinen Geist entstehen, sagt der Herr Zebaoth“

Wochenspruch für Pfingsten

„So, Ben, du bist dran.“ Auffordernd blickte die Lehrerin ihn an. Langsam ging der Angesprochene nach vorne. Er schaute zu seinen Mitschülern und begann wie die anderen mit: „Mein Lieblingstag ist…“

Er stockte. Was sollte er sagen? Doch eine plötzliche Eingebung ließ ihn grinsen und fortfahren: „…ist im Frühsommer.“ „Dein Geburtstag!“, rief einer. Doch Ben schüttelte den Kopf: „Wir haben immer frei an diesem Tag.“ „Ferienanfang!“ Wieder schüttelte Ben den Kopf. „Was ich besonders an diesem Tag mag, ist seine Vielfältigkeit. Ganz unterschiedlich kann man ihn begehen: Man kann einen Ausflug machen oder sich in der Familie besuchen. Man kann in den Gottesdienst gehen und feiern oder“, hier grinste er verschmitzt, „eine Sprache lernen.“ „Eine Sprache lernen? Das macht man doch nicht an einem Feiertag!“, warf da ein Mitschüler ein. „Sprache lernen macht keinen Spaß, sondern ist doof.“

Da mischte sich die Lehrerin ein: „Ben, du musst deinen Mitschülern schon konkretere Hinweise geben, wenn du möchtest, dass sie deinen Lieblingstag erraten sollen.“ „Aber das tue ich doch,“ rief dieser, „das mit der Sprache war ein ganz konkreter Hinweis. Darauf geht doch dieser Tag zurück: dass Sprachbarrieren überwunden wurden.“ Seine Mitschüler furchten die Stirn. Sprachbarrieren überwunden? „Die Wiedervereinigung?“, kam es zögerlich aus einer der hinteren Reihen. „Nein,“ widersprach ein anderer, „da haben doch alle dieselbe Sprache gesprochen.“ Das Rätseln ging weiter.

Schließlich sagte Ben: „Also das war so: Da waren an einem Ort ganz viele Menschen, von denen fast jeder eine andere Sprache hatte. Und plötzlich haben sie sich alle verstanden.“ „Und wieso?“, wollte einer wissen. „Weiß nicht, plötzlich ging das halt irgendwie. Da konnten sie miteinander reden, ohne die eigene Sprache aufgeben zu müssen. Alle waren geistig miteinander verbunden.“ „Jetzt weiß ich“, rief da eine Mitschülerin, „du redest von Pfingsten!“ „Genau.“ Wieder grinste Ben: „Pfingsten ist mein Lieblingstag. Denn an diesem Tag feiern wir, dass auch unsere Unterschiedlichkeit einen Segen für alle birgt. Wir müssen nicht alle gleich sein, um uns zu verstehen. Es ist möglich, sich zu verstehen und Verbindendes zu entdecken, egal, wie verschieden wir sind. Jeder kann sich einbringen und die anderen bereichern.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Gemeinde, eine segensreiche Zeit voller verbindender Momente und erfüllt von dem Geist Gottes.

Ihre Pfarrerin Franziska Roeber

Angedacht

„Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“

Römer 14,9

Ein Gerichtssaal. Viele Menschen sind hier versammelt. Sie rufen durcheinander, rufen nach ihren Rechten und zeigen dabei immer wieder auf andere. Sie blicken zum Richter und fordern Antworten. Antworten und einen Schuldspruch. Der Richter versucht zu vermitteln, doch die Stimmung ist aufgeladen und die gegenseitigen Schuldzuschreibungen werden immer hitziger. Dem Richter fällt auf, dass nicht alle an der Diskussion teilnehmen. Manche bleiben stumm, blicken verunsichert, wenn nicht gar beschämt zu ihm, oder trauen sich kaum, den Blick zu heben. Und dann entdeckt er einen, der einen Stift und ein Papier in der Hand hält und unablässig mit dem Kopf schüttelt, während sein Blick durch die Menge schweift. Er scheint genauso unangenehm berührt von der Situation. Ihre Blicke begegnen sich.

Nach einer Weile lächeln sie einander zu und der Mann mit dem Stift erhebt das Wort: „Liebe Schwestern und Brüder, was erreicht ihr, wenn ihr einander verurteilt? Es würde ein Kreislauf werden, in dem ihr irgendwann nicht mehr anders könnt, als allein darauf zu blicken, was der andere falsch gemacht hat.“

Schon wollen die ersten widersprechen, da fährt der Mann ruhig fort: „Ich bitte euch, blickt einmal nach unten zu euren Füßen. “Einige gehorchen und rufen augenblicklich: „Der Boden ist ja durchsichtig!“ Jetzt schauen auch die anderen. Eine Frau aus der Menge sagt verwundert: „In dem Boden unter uns ist ein Kreuz eingelassen.“ „Was soll denn das?“; fragt ein dritter.

Der Mann mit dem Stift antwortet: „Es ist das Kreuz Christi. Das sollte unser Fundament sein, auf dem wir uns bewegen. Nicht die Frage, wer im Recht ist.“ Ein Raunen geht durch die Menge, das allmählich verstummt. Nachdenkliches Schweigen.

„Christus hat alle Schmach in dieser Welt auf sich genommen“, fährt der Mann fort. „Er hat es auf sich genommen für uns. Für jeden von uns. Natürlich machen wir Fehler und natürlich sollten wir die Fehler auch benennen, denn wie soll es sonst besser werden auf der Welt? Aber bitte tut es mit Gnade. Versucht die Perspektive des anderen einzunehmen und ihn zu verstehen. Und verurteilt einander nicht. Denn das letzte Wort hat Christus und nicht wir. Christus ist es, der für uns gestorben und lebendig geworden ist. Christus ist es, der uns zugewandt bleibt – im Leben und im Tod. Erinnert
euch daran.“

Die Menschen blicken ihn an und streben dann allmählich zum Ausgang. Einige gehen sofort hinaus, andere blicken noch lange zum Kreuz, bevor auch sie gehen. Der Richter und der andere bleiben zurück.

„Meinst du, sie haben es verstanden“, fragt der Richter. „Vielleicht“, antwortet der Mann mit dem Stift. „Wer an Christus glaubt, der sucht seinen Weg in dieser Welt. Der sucht Christus auch im anderen.“ „Dafür werde ich beten“, sagt der Richter. „Und ich werde ihnen schreiben“, antwortet Paulus, der Mann mit dem Stift.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine segensreiche Zeit, in der Sie immer wieder die Erfahrung machen, dass Sie von Christus umfangen sind und er Ihnen zugewandt ist.

Es grüßt Sie
Ihre Pfarrerin Franziska Roeber

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13)

„Du bist ein Gott, der mich sieht“.

Eine kraftvolle Jahreslosung, die gut für sich selbst stehen kann. Mit diesem starken Satz spricht eine ägyptische Sklavin zu dem Gott Israels. So ist unser Gott, das ist bis heute sein Wesen: Ein Gott, der mich, der dich sieht. Was für eine wunderbare Zusage, die uns
2023 begleitet!

Und doch: Manchmal lösen gerade solche positiven Aussagen Fragen aus. Siehst du auch mich, Gott? Ich habe nicht den Eindruck. Redest du mit mir? Ich höre so wenig. Ermutigung und Enttäuschung liegen manchmal nah beieinander.

Für mich wird dieser fast zu schöne Satz krisenfester, wenn ich ihn in seinem Kontext lese: Als Höhepunkt einer Geschichte, die in knappen Worten viel Schmerzhaftes erzählt. Viel Leid, das erduldet und einander angetan wird. Da ist eine Frau, die jahrelang auf Kinder gehofft hat und jetzt resigniert sagt: Gott hat mir verwehrt, zu gebären. Die ihrem eigenen Mann daher eine Zweitfrau zuführt, ihre Sklavin. Sarai heißt sie da noch, und ihr Mann Abram. Die Sklavin, Hagar, wird nicht nach ihrer Meinung gefragt. Sie wird von Sarai und Abram auch nie mit Namen genannt, immer nur als „Sklavin“ bezeichnet. Und als sie, bald schwanger, auf ihre kinderlose Herrin herabsieht, wird sie von Sarai mit Abrams ausdrücklicher Erlaubnis gedemütigt.

In all den großen Themen, unerfüllter Kinderwunsch, Zwangsheirat, Eifersucht, gibt es ein stilleres Leitmotiv, das der Erzähler durch seine Wortwahl hervorhebt: Wie sehen wir einander an – und was lösen wir damit aus? Die Schwangere sieht auf die Kinderlose herab, die Herrin ist plötzlich „wie Nichts“ in den Augen ihrer Sklavin. Sarai ist davon so getroffen, dass sie sich bei Abram die Erlaubnis holt, mit Hagar zu tun, was „gut in ihren Augen ist“. Gut in Sarais Augen ist es, die Sklavin so zu demütigen, dass sie erkennt, wo ihr Platz ist: ganz unten. Die Augen anderer machen mich klein: Diese Erfahrung teilen beide Frauen. Wenn Blicke töten könnten…, sagen wir. Nicht selten erleben wir, wie wahr das Sprichwort ist. Wie schmerzhaft es ist, übersehen zu werden. Wie demütigend es sein kann, wenn meine Schwachstellen ausgeleuchtet werden, mein Versagen, meine wunden Punkte. Kein Wunder, dass die meisten Menschen beides kennen: Den großen Wunsch, gesehen zu werden – und die Angst davor.

Und wie reagiert Hagar? Sie flieht, so weit sie kann, sie rennt in die Wüste. Ein doppeldeutiges Bild: Nach dem Schmerz kommt der Rückzug in die Einsamkeit und Leere. Aber dort ist sie nicht lange allein. Ein Engel sieht sie und fragt: Wo kommst du her und wo gehst du hin? Eine alltäglich anmutende Frage wird an dieser Stelle zu einer existentiellen. Hagar schildert ihre Situation und nach dem Gespräch ist Hagar wieder guter Dinge. Sie bekommt die Verheißung, dass durch sie ein großes Volk hervorgeht und das gibt ihr Kraft, die Tiefen und die Schmach zu überstehen.

In dem Moment, in dem Hagar angesprochen wird, ist sie angerührt, Gott ist ihr begegnet. Er hat sie angesprochen, er hat sie gehört und er hat sie gesehen.

Es ist ein Sehen, das versteht und Mut macht. Im Nachhinein weiß sie, dass sie nicht allein war in der Dürrezeit ihres Lebens und dass sie immer gesehen wurde. Hagars Gotteslob in dieser ergreifenden Erzählung in 1. Mose 16 klingt nach, bis heute.

Wir haben einen Gott, der uns ansieht. Auch wenn wir seine Wege für uns manchmal nicht verstehen. Auch wenn unsere gut durchdachten Pläne manchmal nicht aufgehen und wir dazu neigen, unsere eigenen Ideen als letzte Möglichkeit zu sehen. Wenn alles aussichtslos erscheint, dann ist er immer noch da und öffnet einen Lebensraum, der in die Weite führt.

Juliane Bach

Macht hoch die Tür!

Der Advent beginnt und mit ihm stellt sich die gedämpft-besinnliche Zeit des Jahres ein. Bald folgt Weihnachten und das Jahr neigt sich dem Ende. Die Jahreslosung diesen Jahres begann ebenfalls mit dem symbolischen Türenöffnen:

“Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen”

heißt es. Somit schlagen wir nun zum Ende des Jahres einen Bogen, wenn wir einstimmen und singen:

“Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
es kommt der Herr der Herrlichkeit…”

Es ist das erste Lied im Evangelischen Gesangbuch, das Tor zu den Liedern des Gesangbuchs, der Türöffner zum Advent. Dieses Lied – es besingt eine Sehnsucht im Advent.

Es möge sich etwas öffnen! Türen, bisher verschlossen, öffnen sich und geben den Blick frei auf etwas Wunderschönes, auf Heil und Leben – mitten im Unheil dieser Welt. Türen öffnen sich. Die Kinder spielen das im Advent nach. Tag für Tag öffnen sie ein Türchen am Adventskalender. So üben sie das Warten ein. Advent ist eine Wartezeit.

„Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
Sein Königskron ist Heiligkeit,
Sein Zepter ist Barmherzigkeit.“

Der König, dem hier Tor und Tür geöffnet werden, ist ein Anti-König. Mit den Herrschern dieser Welt hat er wenig gemeinsam. Er ist ein gerechter Anti-König. Gerechtigkeit ist ein Name Gottes. Und eine biblische Kampfansage bis in die Gegenwart. Die Mächtigen auf Erden brauchen keine Gerechtigkeit. Gerechtigkeit brauchen die, die für einen Dollar am Tag arbeiten. Gerechtigkeit brauchen die Hungernden. Und die Flüchtenden.

Der Anti-König ist ein Helfer, ein Heiland. Er will, dass die Menschen Hilfe erfahren, die sie brauchen. Und dass der Mensch dem Menschen ein Helfer, eine Helferin ist, sodass kein Mensch sich allein und hilflos im Dunkel der Welt herumschlagen muss.

Normalerweise fahren Könige in prächtigen Kutschen. Dieser hier fährt auf Sanftmütigkeit. Auf Gewaltlosigkeit. Auf das Schweigen der Waffen. Gedichtet von Pfarrer Georg Weissel mitten im 30-jährigen Krieg spricht das Lied hinein in die Not der Welt, damals wie heute, und bittet voll Sehnsucht:

„All unsere Not zum End´ er bringt.“

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.“

Die Zweiglein der Gottseligkeit aufstecken und sich anrühren lassen, das Herz (immer wieder) öffnen. Die Entstehung des Liedes führt zurück zu einem reichen Kaufmann. Dieser hat, um das Leid von sich fern zu halten, den angrenzenden Weg zum Armenhaus aufgekauft und abgesperrt. Der tägliche Anblick der Armen und Bedürftigen blieb ihm somit erspart. Das Klagen der Ausgegrenzten drang vor bis zu Pfarrer Georg Weissel. Er dichtete dieses Lied und sang mit dem Chor zu Weihnachten vor dem Haus des Kaufmanns gemeinsam “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!”. Der Legende nach rührte es ihn so an, dass der Kaufmann die Pforten wieder öffnete.

Vielleicht brauchen wir die Lieder, die Zweiglein der Gottseligkeit in Form von Kerzen und Adventskranz und Menschen, die Türen öffnen – auch für uns – damit wir unser Herz auch immer wieder öffnen. Die letzte Strophe mündet im dankbaren Gebet und öffnet die Tür auch für das kommende Jahr:

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ew´gen Seligkeit.“

Ihre Pfarrerin Juliane Bach

Erntedank

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Höhepunkt, auch in diesem Herbst, wird das Erntedankfest in unseren beiden Gemeinden sein. Es ist der Tag, an dem wir Gott ganz bewusst danken wollen; dafür, dass wir genug zum Leben haben; dafür, dass es den meisten von uns gut geht – ja, im Vergleich zu vielen Menschen in anderen Teilen unserer Welt sogar sehr gut. Es gibt eine kleine biblische Geschichte, die von ihrer Botschaft her gut zum Erntedankfest passt. Sie handelt von einem reichen Kornbauern:

Und Jesus erzählte ihnen ein Gleichnis: »Ein reicher Kornbauer hatte eine besonders gute Ernte gehabt. Was soll ich jetzt tun, überlegte er, Ich weiß gar nicht, wo ich das alles unterbringen soll! Ich hab’s, sagte er, ich reiße meine Scheunen ab und baue größere! Dann kann ich das ganze Getreide und alle meine Vorräte dort unterbringen und kann zu mir selbst sagen: Gut gemacht! Jetzt bist du auf viele Jahre versorgt. Gönne dir Ruhe, iss und trink nach Herzenslust und genieße das Leben! Aber Gott sagte zu ihm: Du Narr, noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Für wen wird dann das alles sein?«
Lukas 12, 16-20

Der Kornbauer war wirklich gut im Geschäft, seine Lagerhallen reichten nicht mehr aus. Darum bewegten ihn große Pläne – für ein gutes Leben und eine sichere Zukunft – richtiger: für sein gutes Leben, für seine sichere Zukunft. Doch Gott selbst sagt ihm mitten in seine Überlegungen hinein: „Noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Für wen wird dann dies alles sein?

Ich habe mich gefragt: Warum lässt Jesus den liebenden Gott hier so hart auf diesen Mann reagieren?! Was hatte der Kornbauer denn falsch gemacht? Seine Felder waren fruchtbar und die Ernte war entsprechend gut. Es gab jede Menge Getreide und andere Feldfrüchte, mehr als jemals zuvor. Kein Wunder, dass die alten Speicherplätze nicht mehr ausreichten. Es war die einzig richtige Lösung, größere Hallen zu bauen, um den Ertrag zu sichern. Jeder hätte doch so gehandelt, oder nicht? Und was spricht dagegen, dass man sich Vorräte anlegt und für schlechtere Zeiten vorsorgt? Das zeugt doch von Weitsicht. Und was ist dabei, dass dieser Mann sich zur Ruhe setzen will, wo er doch nun versorgt ist. Und dass er das Leben dann in vollen Zügen genießen will? Das wünschen wir uns doch alle für unsere Rentenzeit. Was hatte er in Gottes Augen also falsch gemacht?

Ich glaube nicht, dass es Jesus in dieser kleinen Geschichte um das ging, was der Mann getan hatte bzw. tun wollte. Ich denke, es ging Jesus eher darum, was der Kornbauer nicht tat. Was hätte er mit seinen riesigen Vorräten nicht alles Gutes bewirken können! Er hätte den Bedürftigen von seinem Reichtum abgeben können, er hätte anderen Bauern, deren Ernten schlechter waren, helfen können. Er hätte seine Preise beim Verkauf senken können – den Mitarbeitern mehr Lohn zahlen, und Vieles mehr. Aber an so etwas dachte der Kornbauer nicht. Ihm ging es ausschließlich um sich selbst. „Hauptsache, mir geht es gut„.

Doch: Wenn Gott uns mit Gütern und Gaben beschenkt, dann möchte er, dass wir dankbar und verantwortlich damit umgehen. Dann können wir natürlich unser eigenes Leben damit gestalten, daran ist nichts Verwerfliches. Doch gleichermaßen ist das „Du bist gesegnet, und sollst für andere ein Segen sein“ ein hohes göttliches Gebot.

Der reiche Kornbauer hatte dieses Gebot und auch die Dankbarkeit für sein eigenes Gesegnet-Sein vergessen. Dankbarkeit dafür, dass Gott ihm optimale Bedingungen geschenkt hatte – und seine Erträge deshalb so hoch waren. Dankbarkeit dafür, dass er Mitarbeiter hatte, die ihre ganze Kraft gaben, um die Ernte einzubringen. Er teilte nicht, auch nicht mit denen, die durch ihrer Hände Arbeit die Grundlage für sein Leben in Wohlstand erst geschaffen hatten; er sorgte sich nicht um sie – er sorgte sich ausschließlich um sich selbst. Das hatte er in Gottes Augen falsch gemacht – er hatte nicht nur den Geber aller Gaben, sondern auch seinen Nächsten völlig aus dem Blick verloren. Um ihm das zu verdeutlichen, zeigt Gott ihm ziemlich drastisch die Grenze seiner Möglichkeiten auf. „Noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Für wen wird dann das alles (in deinen Scheunen) sein?

Liebe LeserInnen, der Erntedanktag ist auch heute noch, oder gerade auch heute, ein Tag, an dem wir Gläubigen daran denken sollen, wie sehr Gott uns in unserem Leben bis hierher gesegnet und bewahrt hat, wie viel er uns geschenkt hat – uns persönlich und uns als Gemeinden. Lassen Sie uns gerade in diesem Jahr voller schlechter Nachrichten ganz bewusst gemeinsam unsere Gaben auf den Altar unseres Herrn legen – und nicht in der Scheune bunkern. Und lassen Sie uns das Mitgebrachte mit allen anderen teilen, so wie Gott es sich wünscht. Dann wird es ganz sicher ein großes, buntes – und vor allem ein gesegnetes Fest!

Ihre Pfarrerin Ute Pfeiffer

Angedacht

Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN,
denn er kommt, um die Erde zu richten.

1. Chronik 16,33

Nach wie vor werden die Nachrichten in diesen Tagen und Wochen vom Krieg in der Ukraine und seinen Folgen beherrscht. Daneben gehen die Klimanachrichten fast unter: trockene Flüsse, Gletscherabbrüche, auf der anderen Seite der Erdkugel wieder Überschwemmungen, Stürme, Fluten – die Welt aus den Fugen. In unserer Nachbarschaft Waldbrände und vertrocknende Pflanzen. Bäume haben unter
den von uns verursachten Bedingungen nichts zu lachen.

Der Jubel der Bäume im Monatsspruch für August hört sich bedrohlich an: Die Bäume jubeln schadenfroh angesichts des Gerichtes Gottes über die Erde, über uns Menschen. Da könnten wir angesichts der Bilder aus Norditalien oder Ostaustralien tiefsinnig werden. Der Monatsvers aus dem 1. Chronikbuch begegnet uns in einem Gebet: Das Dank- und Jubelgebet anlässlich der Aufstellung der Bundeslade in Jerusalem, das gerade zur Hauptstadt gemacht worden war. In der Mitte der Gemeinde steht die Lade als Zeichen der Gegenwart Gottes. Wenn Gott in die Mitte kommt, in unserer Mitte seinen Platz einnimmt, sortiert sich alles neu, wird alles neu ausgerichtet.

Es geht beim Gericht Gottes nicht vorrangig um Beurteilung und damit um drohende Verurteilung. Der Sinn dieses Gerichtes ist ein Gerade-Richten, Zurechtbringen all dessen, was bisher schiefläuft. Es wird die Erde, die Lebenswelt von uns Menschen sozusagen neu verfugt, neu bewohnbar gemacht.

Keine Frage: Auch heute, 3000 Jahre nach David in Jerusalem und der Bundeslade als neuem Mittelpunkt ist solch eine Neuausrichtung nötiger als damals, so scheint es. Wir sind uns inzwischen weithin einig, dass viel, sehr viel getan werden muss, damit die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen wenigstens gestoppt wird, von Wiederherstellung noch gar nicht zu reden. Aber es muss um jeden einzelnen kleinen Schritt gerungen werden. Der Ukraine-Krieg macht es einerseits noch dringlicher, auf die sogenannten erneuerbaren Energien umzustellen, andererseits werden in der Not auch wieder Schritte zurück erwogen: doch wieder mehr Kohleverbrennung oder gar Atomkraftwerksverlängerungen als Notmaßnahmen. Für Bäume und ihre Belange ein Trauerspiel, und die können nicht einmal auswandern.

An Umweltschutz hat David in dem von ihm angeordneten Lobpreis sicher nicht gedacht. Das Bild ist erst einmal nur eine Übertreibung: der Jubel über Gottes Gegenwart unter Menschen schwappt über in eine Sphäre, aus der eigentlich keine sichtbare Reaktion zu erwarten ist. Dass selbst die unbeweglichen Bäume jubeln, zeigt nur, wie die Gottesfreude um sich greift. Wenn selbst die Bäume jubeln, muss die Begeisterung derer, denen Mund und Stimme gegeben sind, ja noch viel größer sein und überschwappen.

Für uns aber heißt das alte Gebet: Das Leben der Bäume ist Maßstab für unsere Haushaltung. Es geht nicht um ein paar Reparaturen an unserem Ökosystem, sondern um ein dauerhaft tragfähiges Gleichgewicht von Verbrauch und Wiedergewinnung. Man sollte es nicht denken, aber auch dafür sind wir als Gottesgemeinde da: einen Beitrag dazu zu leisten, dazu zu ermuntern, hier zu warnen. Damit wir unserem ursprünglichen Auftrage gerecht werden: nicht die Erde zu beherrschen und auszubeuten, sondern die gesunderhaltenden Mechanismen der Natur zu beherrschen und als Gärtnerinnen den „Garten Eden“, das Paradies, die Erde, wie sie ursprünglich von Gott gemeint war, zu bewahren. Gärten sind ja nicht für Wildwuchs da und den Kampf jeder Pflanze gegen jede andere um Lebensraum, sondern Gärten sind Gärten erst durch die Gärtner, durch uns, die ordnend eingreifen.

Der Jubel der Bäume des Waldes ist übrigens sattes Grün, nicht ohrenbetäubend, sondern rauschend oder nur sanft säuselnd. Wir wünschen Ihnen in diesem Sommer viel Grün und Sonnenstrahlen an fröhlichen Tagen,

Ihr Pfarrer Hartmut Scheel

Angedacht

Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen,
der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein…

Liebe Leserin, lieber Leser,

in einigen Tagen feiern wir Pfingsten, das dritte große Fest im Kirchenjahr. Wie schon Weihnachten und Ostern zuvor, liegt auch dem Pfingsttag eine spektakuläre Geschichte der Bibel zugrunde. Sie erinnern sich?! Die Jünger und Jüngerinnen waren alle in Jerusalem versammelt, so wie Jesus es ihnen vor seiner Himmelfahrt aufgetragen hatte. Plötzlich kam ein gewaltiger Wind auf und erfüllte das Haus, in dem sie sich aufhielten. Zungen, die wie Feuer aussahen, kamen vom Himmel herab und setzten sich auf jeden von ihnen. Und auf einmal waren sie in der Lage, das Evangelium in den verschiedensten Sprachen zu predigen, so dass alle, die sich in der Stadt aufhielten, sie
ohne Mühe verstehen konnten. Gott hatte seinen Heiligen Geist vom Himmel gesandt – und das erste – was er auf dieser Erde bewirkte, war Verständigung. Die Menschen hörten auf einmal ihre Muttersprache; und sie blieben stehen; wurden aufmerksam; fühlten sich angesprochen. Doch wie war das möglich, dass diese einfachen Männer aus Galiläa so reden konnten? Jedem war klar, dass hier etwas Besonderes, etwas Höheres geschah, dass Gott selbst hier ein Wunder gewirkt haben muss. Schon allein deswegen hörten sie der Predigt der Jünger noch aufmerksamer zu – und erfuhren von einem Gott der Liebe, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns Menschen ganz nahe zu kommen. Der uns durch Christus zeigen wollte, wie eine Welt Wirklichkeit werden kann, die dem Willen Gottes entspricht; eine Welt, in der mehr und mehr Verständigung unter den Völkern möglich ist; eine Welt des Friedens und der Barmherzigkeit.

Bei vielen, die den Jüngern an jenem Pfingsttag zuhörten, fiel diese Botschaft auf fruchtbaren Boden – und sie begannen, an diesen Gott der Christen zu glauben. Sie schlossen sich den Jüngern an und bildeten mit ihnen zusammen
die allererste christliche Gemeinde. Deshalb sehen viele Gläubige im Pfingsttag auch die Geburtsstunde der Kirche. Mag sein, oder auch nicht. Vor allem aber ist Pfingsten der Tag, an dem wir das Kommen des Heiligen Geistes feiern und durch sein Da-Sein das Bleiben
Gottes in der Welt. Der Geist Gottes gibt uns die Kraft, auch heute noch dem Vorbild Jesu zu folgen. Aufeinander zuzugehen, einander zu vergeben. Er hilft uns, neue Wege zur Einheit zu finden – und umzusetzen. Und er gibt uns den Mut, auf Gottes Zusagen zu vertrauen und im Glauben weiterzugehen, auch wenn so vieles in dieser Welt noch im Argen liegt.

Am Pfingsttag in Jerusalem berührte der Himmel einmal mehr die Erde. Und wieder veränderte diese Berührung die Welt. Zuerst nur die begrenzte Welt der Gläubigen in Judäa, ihr Handeln und ihr Reden. Doch dann, nach und nach, auch die Welt anderer Völker. Denn das Evangelium verbreitet sich bis heute immer weiter. Begonnen hatte alles mit einer kleinen Gruppe JüngerInnen, die bereit waren, Zeugen Jesu zu sein; die den Mut hatten, das, was sie mit ihm erlebt und erfahren hatten, anderen zu erzählen, selbst auf die Gefahr hin, wegen ihrer Worte verlacht, verprügelt – oder sogar getötet zu werden. Ihren Glauben schöpften sie dabei aus ihrer Erfahrung – ihren Mut aber schöpften sie aus der Kraft Gottes, die in ihnen war. Begonnen hatte alles aber auch mit einer Gruppe Menschen, die aus aller Herren Länder kamen, die dann am Pfingsttag eine Predigt in ihrer eigenen Sprache hörten – und sich daraufhin aufmachten, ihren Völkern von diesem Gott zu erzählen. Begonnen hatte alles vor allem mit unserem treuen Gott, der uns Menschen nach der Himmelfahrt Jesu nicht allein ließ. Er schenkte uns seinen Geist – und erfüllte damit seine Zusage, dass er uns nicht verlassen wird, sondern immer bei uns bleibt, bis ans Ende aller Zeiten. Darauf können wir fest vertrauen!

Ich wünsche Ihnen einen segensreichen Frühsommer!

Pfarrerin Ute Pfeiffer

Frieden stiften

In New York am Sitz der Vereinten Nationen steht seit über 60 Jahren ein Muskelprotz, der mit einem erhobenen Hammer auf etwas einschlagen will, das – es ist dem oberen Teil dieses Etwas anzusehen – wohl mal ein Schwert gewesen ist, unten deutet sich schon die Wandlung zu einem Pflug an. Als Erklärung dient ein Bibelverweis: Micha 4.

Das New Yorker Denk- oder Mahnmal ist in den achtziger Jahren zum Symbol der Friedensbewegung geworden. Auf Vlies gedruckt, weil das als Textilveredelung galt und deshalb nicht genehmigungspflichtig war, diente der Muskelprotz als Lesezeichen und Aufnäher auf Oberbekleidungsstücken.

In der Bibel gibt es in anderem Zusammenhang, bezogen auf eine andere Lage, auch das Gegenteil: Die Aufforderung, aus Pflugscharen nun doch Schwerter zu machen.

In Micha 4 aber handelt es sich eben nicht um eine Aufforderung, sondern um ein Versprechen: Die von Gott ausgehenden Wegweisungen werden so überzeugend, klar und auch verlässlich sein, dass sich die Völker auf sie einlassen und daraufhin die Schwerter und Spieße überflüssig werden und einem sinnvolleren Zweck zugeführt werden können. Dafür ist dann der Schmied zuständig.

Der Schmied in New York war ein Geschenk der „Völker der Sowjetunion“, zu denen natürlich Russen und Russinnen, aber auch Ukrainer und Ukrainerinnen gehörten, an die Vereinten Nationen zu deren 10jährigem Jubiläum. Was ich sagen will: Wir erwarten diese überzeugende und Frieden ermöglichende Weisung von hier, von den Vereinten Nationen, die mit dem von allen akzeptierten Völkerrecht eine wichtige Grundlage für den Frieden setzen. Streitfragen und Keime des Unfriedens werden hier geklärt. Die zentrale und von allen akzeptierte „Weisung“ ist die Bedingung des Friedens.

Sicher ist in Micha 4 mehr gemeint als solch ein Völkerrecht und eine darüber wachende Institution. Die Vereinten Nationen sind auch bloß eine Verabredung, nicht göttliches Recht. Aber diese Verabredung ist ein irdischer Anfang, der nicht hoch genug
zu schätzen ist.

Neben dem hilflosen Entsetzen über all das menschliche Leid, das der Überfall auf die Ukraine ausgelöst hat, ist das das Erschreckendste: Es wird die gemeinsame Basis des Zusammenlebens auf unserem Planeten verlassen. Und nicht nur verlassen: Sie wird
zynisch verhöhnt und mit Füßen getreten.

Das ist eine jämmerliche Bankrotterklärung aller Menschlichkeit dort, wo man zu solchen Mitteln greift und sich über alles einfach hinwegsetzt.

Dass der Schmied sich an die Arbeit machen kann, ist wenn, dann die Folge einer Verständigung. Solch eine Verständigung zu befördern, wo es nur irgendwie geht, oder zumindest anzumahnen, ist in der Folge von Micha 4 unsere Aufgabe als Christen und als Kirche. Pazifismus ist eine Erfindung Jesu, der damit aber nicht einer Passivität das Wort redet, sondern Aktivität adelt:

Die, die „Frieden machen“ sind als Gottes Kinder glücklich zu preisen.

Es ist ein Treppenwitz der Kulturgeschichte, dass Luthers dafür erfundene Formulierung „friedfertig“ – da steckt eben „fertigen, machen“ im Wort – im heutigen Sprachgebrauch genau das meint, was er damals als Missverständnis auszuschließen versucht hat. Darum aber wird es gehen in den nächsten Wochen und Monaten und mit Ostern
sowieso: Wege zu suchen, hoffentlich zu finden, in jedem Fall anzumahnen, die zum Frieden führen.

Wahrscheinlich werden es erst einmal eher Trampelpfade sein, aber in kleinen Schritten wenigstens wollen wir zu einem so verlässlichen Frieden kommen, der es erlauben würde, aus Schwertern wieder Pflugscharen, aus Panzern Rasenmäher und aus Gewehren andere Haushalts- oder Gartengeräte zu machen, gern auch im Umfang von 100 Milliarden Euro.

Ich wünsche Ihnen allen viel Zuversicht, Mut und noch mehr Phantasie zum „Friedenstiften“, wo immer es geht. Und in jedem Fall – aber das ist eigentlich dasselbe: Fröhliche und gesegnete Ostern.

Ihr Pfarrer Hartmut Scheel

Angedacht

„Gott spricht: „Siehe, ich will Neues schaffen.
Jetzt wächst es auf, erkennt ihr es denn nicht?“
Jesaja 43,19

Dieses Bibelwort aus dem Alten Testament formuliert eine wunderbare Zusage Gottes an die Menschen. Es sind kraftvolle und lebendige Worte, die uns hier überliefert sind, gesprochen von einem großen Propheten Gottes, vor über 2500 Jahren – und ursprünglich gerichtet an das Volk Israel. Sie sollten wissen, dass ihr Gott Neues schaffen will; ja, mehr noch, dass dieses Neue bereits „im Werden“ ist und aufwächst.

Als die Israeliten diese Worte seinerzeit hörten, müssen sie doch ihren Ohren kaum getraut haben. Denn was sie gerade erlebten, war alles andere als eine gedeihende und auf Zukunft ausgerichtete Zeit. Sie befanden sich weit weg von ihrer Heimat; lebten im Exil. Ca. 70 Jahre zuvor hatten die Babylonier ihr Land und ihre heilige Stadt Jerusalem zerstört. Die Israeliten selbst, vor allem die Ober- und Mittelschicht, hatte der feindliche König Nebukadnezar nach Babylon deportiert. Seitdem lebten sie entwurzelt in Babylon – und auch ohne Hoffnung, je wieder nach Hause zu können. Und jetzt spricht der Prophet nun im Namen Gottes solche Worte:

„Gott spricht:
Siehe ich will Neues schaffen!
Jetzt wächst es auf.
Erkennt ihr es denn nicht?“

Mancher Zuhörer wird sehr skeptisch gewesen sein, andere haben es sicher für Ironie gehalten. Die Freude jedenfalls, die eine solche Prophetie in den Herzen der Menschen auslösen sollte, ließ bei den Meisten erst einmal auf sich warten.

Sie wurde aber bald darauf umso lebendiger. Denn, so berichten die Geschichtsschreiber, die Babylonier verloren ihre Vorherrschaft in der Region. Die Perser waren nun die Mächtigen. Und der König der Perser war bereit, die Israeliten wieder heimkehren zu lassen. Es war geradezu ein Wunder. Manche Israeliten waren noch jung, sie waren erst im Exil zur Welt gekommen, daher kannten sie die alte Heimat nicht. Aber die Alten, die konnten es kaum fassen, denn sie hatten den Jüngeren all die Jahre von der Schönheit Jerusalems und dem herrlichen Land Israel erzählt. Und nun konnten sie heim. Viele Israeliten kehrten zurück. Sie krempelten die Ärmel hoch und bauten Jerusalem und ihr Land wieder auf. Sie setzten ihre ganze Kraft dafür ein, damit das verheißene „Neue Gottes“ immer mehr Gestalt annimmt. Und Gott selbst half ihnen dabei, vor allem durch viele liebende und stärkende Worte durch seine Propheten. Gott wollte Neues schaffen, damals, vor 2500 Jahren in Israel.

Aber Gott will auch heute Neues schaffen, denn er ändert sich nicht. Er lst derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Und sein Wort vergeht nicht, es ist heute genauso präsent und wirksam wie zur Zeit der Propheten. Auch heute noch gelten seine Zusagen an seine Geschöpfe, auch an uns. Denn noch heute liebt er die Menschen bedingungslos, ohne Ausnahme.

Und auch heute noch steht Gott zu seinem Maßstab: Freiheit statt Gefangenschaft, Aufbau statt Zerstörung, Leben-Schaffendes statt Leben-Vernichtendes – überall auf der Welt.

Doch schauen wir heute, am Anfang dieses Jahres 2022, auf die Realitäten, fällt auch nicht wenigen von uns sicher die Freude über diese Zusage Gottes

„Siehe, ich will Neues schaffen.“

schwer, wenn auch aus anderen Gründen als bei den Israeliten seinerzeit. Zahlreiche Krisenherde, Klimawandel, Covid, Inflation, das sind nur einige Beispiele. Und vor allem die Bedrohung der Existenz so vieler Menschen auf der Welt, die ihr Leben für ein besseres Morgen aufs Spiel setzen. Unzählige Kinder, die versuchen, sich allein durchzuschlagen, oder aber als Soldaten oder Gespielinnen missbraucht werden.
Es ist erdrückend. Und wir sitzen in Sicherheit und können für die Dramen der Welt eigentlich nur beten und / oder spenden.

Doch Gott spricht in diese, aus menschlicher Sicht unlösbaren Situationen, genauso hinein:

„Siehe, ich will Neues schaffen.
Jetzt wächst es auf,
erkennt ihr es denn nicht?“

An diesen Worten möchte ich trotz allem festhalten, darauf vertrauen, dass Gott zu seinem Wort steht, und dass er immer wieder Neues schafft, was wir oft nur nicht erkennen. Nehmen wir aber den Fall der Mauer. Ich hätte das nie für möglich gehalten. Doch es geschah. Durch das Handeln unzähliger Menschen, die die Ärmel hochgekrempelt haben, im wörtlichen und auch im übertragenen Sinn. Und mit der Hilfe Gottes Neues Wirklichkeit werden ließen, neue Wege der Freiheit.

„Siehe, ich will Neues schaffen.“ – Das sagt Gott auch uns als Gemeinden zu. Denn gerade wir Gläubigen sind doch gerufen, dieses „Neue Gottes“, das er schon in uns – und um uns herum – angelegt hat, mit unseren Händen und Füßen weiter aufzubauen – und ihm mehr Gestalt zu geben. Doch was ist dieses „Neue Gottes“ denn konkret für unsere beiden Gemeinden? Das weiß nur Gott selbst. Aber ich bin überzeugt, dass er es uns erkennen lässt, wenn wir ihn gemeinsam darum bitten. Ich bin schon deshalb sehr gespannt auf dieses Jahr 2022 mit Ihnen allen! Gott segne Sie!

Ihre Pfarrerin Ute Pfeiffer