Dieses Bibelwort ist in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Die Puhdys haben darüber ein Lied geschrieben, mit eindringlichem Riff und dem Geräusch einer Explosion am Anfang. Und auch das bis ins Althochdeutsche zurückführbare Wort „jegliches“ hat sich gehalten. Vielleicht klingt „alles hat seine Zeit“ einfach zu banal.
Und wie die Puhdys, so geht auch der Bibeltext aus dem Buch des Predigers gleich mitten rein: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit. Das Leben eines Menschen, von der Geburt bis zum Tod, wird in neun Wörtern umrissen. Und wie sehr wir in der Großstadt wieder lernen müssen, dass Früchte und Pflanzen saisonal gebunden sind, wird immer deutlicher. Doch oft bleibt nicht die Zeit, darauf zu hören. Ich erlebe immer wieder, wie Zeit durchgetaktet wird, Termine sich jagen, Menschen sich selbst optimieren. Da nehme ich mich nicht aus. Umso wichtiger sind die Momente, in denen dieser alte, weise Satz auch wirklich gehört wird: „ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“.
Besonders eindrücklich erlebe ich das am Grab. Wenn Menschen einer simplen Erkenntnis nicht mehr ausweichen können: auch ihr Leben hat seine Zeit.
„Ein jegliches hat seine Zeit“
Wer darum weiß, weiß auch um ein Letztes: es gibt ein „zu spät“. Ich erlebe oft, dass Menschen in dem Bemühen um Kontinuität die Augen vor schweren Dingen oder unausweichlichen Veränderungen verschließen. Stellen sie sich diesen Dingen, dann merken sie manchmal: es ist zu spät. Mitunter bleibt nichts anderes, als „auszureißen, was gepflanzt ist“. Und wieder andere wollen ihrer Zeit immer einen Schritt voraus sein. Sie wollen die ersten sein, die eine bestimmte Idee haben, die schnellsten, die sie umsetzen. Oft genug merken sie: auch diese Dinge haben ihre Zeit. Dieses Eingangswort erscheint in den Gemeindeblättern dreier Kirchengemeinden: Baumschulenweg, Johannisthal und Treptow. Alle drei Gemeinden bieten im Oktober und November eine Vielzahl von Möglichkeiten, einem Ereignis oder auch dem eigenen Besinnen seine Zeit zu lassen. Vielleicht spricht Sie das eine oder andere Angebot an.
Andreas Döhle