Macht hoch die Tür!

Der Advent beginnt und mit ihm stellt sich die gedämpft-besinnliche Zeit des Jahres ein. Bald folgt Weihnachten und das Jahr neigt sich dem Ende. Die Jahreslosung diesen Jahres begann ebenfalls mit dem symbolischen Türenöffnen:

“Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen”

heißt es. Somit schlagen wir nun zum Ende des Jahres einen Bogen, wenn wir einstimmen und singen:

“Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
es kommt der Herr der Herrlichkeit…”

Es ist das erste Lied im Evangelischen Gesangbuch, das Tor zu den Liedern des Gesangbuchs, der Türöffner zum Advent. Dieses Lied – es besingt eine Sehnsucht im Advent.

Es möge sich etwas öffnen! Türen, bisher verschlossen, öffnen sich und geben den Blick frei auf etwas Wunderschönes, auf Heil und Leben – mitten im Unheil dieser Welt. Türen öffnen sich. Die Kinder spielen das im Advent nach. Tag für Tag öffnen sie ein Türchen am Adventskalender. So üben sie das Warten ein. Advent ist eine Wartezeit.

„Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
Sein Königskron ist Heiligkeit,
Sein Zepter ist Barmherzigkeit.“

Der König, dem hier Tor und Tür geöffnet werden, ist ein Anti-König. Mit den Herrschern dieser Welt hat er wenig gemeinsam. Er ist ein gerechter Anti-König. Gerechtigkeit ist ein Name Gottes. Und eine biblische Kampfansage bis in die Gegenwart. Die Mächtigen auf Erden brauchen keine Gerechtigkeit. Gerechtigkeit brauchen die, die für einen Dollar am Tag arbeiten. Gerechtigkeit brauchen die Hungernden. Und die Flüchtenden.

Der Anti-König ist ein Helfer, ein Heiland. Er will, dass die Menschen Hilfe erfahren, die sie brauchen. Und dass der Mensch dem Menschen ein Helfer, eine Helferin ist, sodass kein Mensch sich allein und hilflos im Dunkel der Welt herumschlagen muss.

Normalerweise fahren Könige in prächtigen Kutschen. Dieser hier fährt auf Sanftmütigkeit. Auf Gewaltlosigkeit. Auf das Schweigen der Waffen. Gedichtet von Pfarrer Georg Weissel mitten im 30-jährigen Krieg spricht das Lied hinein in die Not der Welt, damals wie heute, und bittet voll Sehnsucht:

„All unsere Not zum End´ er bringt.“

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.“

Die Zweiglein der Gottseligkeit aufstecken und sich anrühren lassen, das Herz (immer wieder) öffnen. Die Entstehung des Liedes führt zurück zu einem reichen Kaufmann. Dieser hat, um das Leid von sich fern zu halten, den angrenzenden Weg zum Armenhaus aufgekauft und abgesperrt. Der tägliche Anblick der Armen und Bedürftigen blieb ihm somit erspart. Das Klagen der Ausgegrenzten drang vor bis zu Pfarrer Georg Weissel. Er dichtete dieses Lied und sang mit dem Chor zu Weihnachten vor dem Haus des Kaufmanns gemeinsam “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!”. Der Legende nach rührte es ihn so an, dass der Kaufmann die Pforten wieder öffnete.

Vielleicht brauchen wir die Lieder, die Zweiglein der Gottseligkeit in Form von Kerzen und Adventskranz und Menschen, die Türen öffnen – auch für uns – damit wir unser Herz auch immer wieder öffnen. Die letzte Strophe mündet im dankbaren Gebet und öffnet die Tür auch für das kommende Jahr:

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ew´gen Seligkeit.“

Ihre Pfarrerin Juliane Bach